
Wird Aushöhlung der Schuldenbremse zum Preis für die Ampel?
Trotz der erheblichen Mehrausgaben des Bundes infolge der Corona-Krise wollen SPD und Grüne öffentliche Investitionsprogramme ausweiten. Die FDP will ihrerseits Steuererleichterungen. Experten warnen vor einem möglichen Konsens auf Kosten der Schuldenbremse.

Die Ampelkoalition ist ein mögliches Regierungsbündnis nach der Bundestagswahl.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Symbolbild/dpa
So entschlossen die Verhandler von SPD, Grünen und FDP auch sein mögen, gemeinsam eine tragfähige Regierungsvereinbarung zu erarbeiten, so schwierig wird sich eine solche bezüglich noch zu klärender Details gestalten.
In vielen Bereichen liegen die Vorstellungen noch weit auseinander, und nicht zuletzt angesichts der wegen Corona ohnehin angespannten Haushaltslage erscheint es als besondere Herausforderung, FDP-Forderungen nach Steuererleichterungen und Forderungen nach öffentlichen Ausgaben für Bildung, Klima oder Digitalisierung zu harmonisieren. Am Ende droht die Schuldenbremse infrage gestellt zu werden.
Forderung nach „pragmatischen Lösungen“ von Wirtschaftsweisem Truger
Der Wirtschaftsweise Achim Truger von der Universität Duisburg-Essen hält dies nicht für sonderlich problematisch. Im Gespräch mit dem „Focus“ plädiert er für eine „Reform der Schuldenbremse“. Dies begründet er gerade mit den engen Spielräumen für öffentliche Investitionen, die durch Corona-Mehrausgaben entstanden sind:
„Es braucht mehr Spielraum für öffentliche Investitionen. Bund und Länder sollten diese stärker über Kredite finanzieren.“
Um die Neuverschuldung im Rahmen zu halten, hält er jedoch eine klar benannte Obergrenze für sinnvoll. Auch Extrahaushalte oder öffentliche Unternehmen, deren Investitionskredite nicht in die Schuldenbremse einbezogen würden, wie die Deutsche Bahn, könnten in der gegebenen Situation helfen, diese zu umgehen. Immerhin sei nicht damit zu rechnen, dass es die erforderliche verfassungsändernde Mehrheit geben würde, um die Schuldenbremse abzuändern.
Für Steuersenkungen sieht Truger bis auf Weiteres keinen Spielraum, allerdings würden Erhöhungen oder Ausgabenkürzungen möglicherweise die Wirtschaft abwürgen. „Pragmatische Lösungen“ im Kontext der Schuldenpolitik seien in dieser Situation ein potenzieller Ausweg.
Schuldenbremse soll untragbare Schuldenlast künftiger Generationen verhindern
Die Schuldenbremse 2009 verpflichtete die öffentlichen Haushalte zu einer Begrenzung der Neuverschuldung und einem perspektivischen Ausgleich der eigenen Etats, ohne dafür Kredite aufzunehmen. Auf diese Weise sollte künftigen Generationen eine nicht tragbare Schuldenlast erspart werden. Zuvor war die zulässige Neuverschuldung nur durch die Höhe der Investitionen begrenzt. In Zeiten guter Konjunktur war es Bund und Ländern damit selbst überlassen, ob sie lieber neue Schulden für Investitionen aufnehmen als offene zurückbezahlen.
Nun müssen sie Neuverschuldung vermeiden und die „schwarze Null“ sicherstellen. Der Bund darf seit 2016 nur noch Kredite in einer Gesamthöhe von 0,35 Prozent des BIP neu aufnehmen, die Länder seit 2020 nicht einmal mehr das. Ausnahmen gelten nur in anormalen konjunkturellen Situationen wie bei Rezessionen oder Naturkatastrophen – auch beispielsweise bei Pandemien wie Corona.
Ein Stabilitätsrat soll die Einhaltung der Schuldenbremse überwachen, allerdings kontrollieren sich die darin versammelten Finanzminister im Wesentlichen selbst. Es gibt auch keinen klaren Sanktionsmechanismus bei Zuwiderhandlung. Auch gibt es Schleichwege für die öffentliche Hand, indem etwa kommunale, bundes- oder landeseigene Unternehmen Kosten übernehmen oder Kredite aufnehmen.
Experten sehen Bedenken gegen Schuldenbremse als widerlegt
Ein Expertenteam rund um ifo-Chef Clemens Fuest und namhafte Ökonomen wie Peter Bofinger (Universität Würzburg) und Marcel Fratzscher (DIW) hat bereits anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Schuldenbremse vor einer Aufweichung gewarnt. Die Verfassungsregelung zur Schuldenbremse, die einst im Nachgang zu den immensen Staatshilfen infolge der Weltfinanzkrise beschlossen wurde, habe sich als „finanzpolitischer Erfolgsweg“ erwiesen und alle Befürchtungen widerlegt, die darob im Vorfeld geäußert worden waren.
Diese bezogen sich auf mehrere Aspekte. Zum einen befürchtete man eine zu große Einschränkung des Spielraums für eine antizyklische Finanzpolitik – also durch Überschüsse aus Boomzeiten in Zeiten der Rezession Impulse geben zu können, während man in Zeiten des starken Wachstums sparsam wirtschaftet.
Auch hieß es, die Befürworter der Schuldenbremse würden den Unterschied zwischen öffentlichen Investitionen und konsumtiven Ausgaben verkennen. Zudem hieß es, ausgeglichene Haushalte würden ohnehin auf lange Sicht zu einer Staatsverschuldungsquote gegen Null führen. Dennoch könne die Schuldenbremse nicht verhindern, dass nicht gedeckte Leistungsversprechen auf Umwegen gegeben würden – etwa im Wege der umlagefinanzierten Sozialversicherung.
Zur Verfügung gestellte Mittel nicht einmal gänzlich abgerufen
Tatsächlich, so die Experten, hätte die Schuldenbremse sehr wohl antizyklische Ausrichtungen der öffentlichen Finanzpolitik sichergestellt. Die öffentlichen Investitionen seien vielmehr vor Einführung der Schuldenbremse zurückgegangen und hätten sich danach wieder erholt. Viele grundsätzlich zur Verfügung stehende Mittel für öffentliche Investitionen seien vielmehr nicht abgerufen worden.
Ein Verschwinden der Staatsschulden habe die höhere Haushaltsdisziplin aber dennoch nicht bewirkt – weshalb es aber auch gerade jetzt keinen Anlass gäbe, diese in einer Situation massiver Teuerungen und Ausweitungen der Ausgabenpolitik infolge der Pandemie schleifen zu lassen.
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