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Archäologische Spurensuche

Lepra-Erreger in mittelalterlichen Eichhörnchen nachgewiesen

Schweizer Forscher konnten nachweisen, dass britische Eichhörnchen bereits im Mittelalter Lepra-Erreger in sich trugen. Und nicht nur das: Ihre Ergebnisse zeigen, dass es eine Verbindung gibt zwischen den Lepra-Erregern in den Nagern und jenen bei den Menschen der Zeit.

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Nagetiere haben im Mittelalter viele Krankheiten verbreitet: unter anderem die Pest und Lepra.

Foto: iStock

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Hautflecken, verformte Nasen, Geschwüre: Die Infektionskrankheit Lepra kann zu schwerwiegenden Symptomen führen. Das hauptsächlich dafür verantwortliche Bakterium – Mycobacterium leprae – befällt bis heute, insbesondere im Globalen Süden, jährlich rund 200.000 Menschen. Doch auch in Mitteleuropa hat die Krankheit eine lange Geschichte.
Diese Spur führte eine internationale Forschungsgruppe um die Paläogenetikerin Prof. Dr. Verena Schünemann von der Universität Basel nach England. Mittels archäologischer Funde konnten sie hier nachweisen, dass das rote Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) im Mittelalter als Wirt für das Lepra-Bakterium diente. Aber wie breitete sich Lepra aus?

Von Tier zu Mensch oder umgekehrt?

Weiterhin stellten die Forscher fest, dass die Leprabakterien der Eichhörnchen sehr nah mit jenen verwandt waren, die aus zeitgleichen menschlichen Skeletten derselben Region stammen.
„Diese Ähnlichkeit zeigt uns, dass es wahrscheinlich einen Austausch der Bakterien zwischen Tier und Mensch zu dieser Zeit gab“, erklärte Verena Schünemann. Sie betont allerdings, dass nach dem heutigen Wissensstand nicht klar sei, auf welchem Weg dieser Austausch stattgefunden hat:
„Wir wissen nicht, ob die Eichhörnchen die Menschen ansteckten oder ob Menschen die Erkrankung zu den Tieren brachten“, so Schünemann.
Berührungspunkte gab es im Mittelalter jedenfalls einige: Einerseits durch den Pelzhandel, der insbesondere durch den Adel florierte. So wurden im 11. und 12. Jahrhundert unter anderem Mäntel aus dem Fell der Nagetiere hergestellt. Andererseits gab es auch Eichhörnchen als Haustiere. So wissen Forscher unter anderem von Nonnenklöstern, in denen die Tiere gehalten wurden.
Frau mit Eichhörnchen – Wer übertrug Lepra auf wen?

Eine Dame spielt mit einem Eichhörnchen, das ein Halsband trägt. Ausschnitt aus dem illustrierten Manuskript „Luttrell-Psalter“ (1325–1335).

Foto: Gemeinfrei

Lepra in 20 Milligramm Knochen

Für ihre Untersuchung konzentrierten sich die Forscher auf die Stadt Winchester im Süden Englands. Dort gibt es dank archäologischer Fundstätten ausreichend Material für die Genanalysen – sowohl von Eichhörnchen als auch von Menschen jener Zeit.
Die menschlichen Überreste stammen aus einem Leprosarium, einer Pflegeeinrichtung speziell für Leprakranke. Der Fund der mittelalterlichen Eichhörnchen war dagegen ein Glücksfall. So fanden Archäologen winzige Hand- und Fußknochen der Nager in einer Kürschnerwerkstatt.
„Wir haben die Genanalysen an den winzigen Hand- und Fußknochen der Eichhörnchen durchgeführt, die zwischen 20 und 30 Milligramm schwer sind. Viel Material gibt es da nicht“, erklärt Christian Urban, Erstautor der Studie.

Die Forscher haben Eichhörnchenknochen aus einer mittelalterlichen Kürschnerwerkstatt und menschliche Zähne aus einem Leprosarium in Winchester, England, untersucht.

Foto: Urban et al. 2024 | CC BY-NC-ND 4.0

Für die Wissenschaftler sind diese Ergebnisse besonders wichtig im Hinblick auf die künftige Bekämpfung von Lepra. Denn bis heute ist nicht vollends geklärt, wie sich die Krankheit verbreitet. Diese Wissenslücke wollen die Forscher um Schünemann schließen.
„Indem wir alte tierische und menschliche Stämme direkt vergleichen, können wir potenzielle Übertragungsereignisse im Laufe der Zeit rekonstruieren und damit Rückschlüsse auf das langfristige zoonotische Potenzial der Krankheit ziehen“, so Schünemann. Die Ergebnisse sind auch für heute relevant, da Tiere als Wirte von Lepra noch immer sehr wenig Beachtung finden. – Möglicherweise könnte die Krankheit dort überdauern, selbst wenn sie unter Menschen als ausgerottet gilt.
Die Studie erschien Anfang Mai in der Fachzeitschrift „Current Biology“.

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