Gefährlichkeit zu spät anerkannt
Studie: Grenzschließungen Anfang 2020 kamen zu spät - Man hätte Hubei frühzeitig abschotten müssen
Wie hat sich SARS-CoV-2 im vergangenen Frühjahr in Europa ausgebreitet? Haben die Grenzschließungen Mitte März etwas genutzt? Forscher haben eine eindeutige Antwort.

An der Grenze in Tirol am 13. Februar 2021 in der Nähe zu Seefeld, Österreich.
Foto: Jan Hetfleisch/Getty Images
Die Grenzschließungen in Europa vor rund einem Jahr kamen einer Studie zufolge zu spät, um das neue Coronavirus SARS-CoV-2 nachhaltig aufzuhalten.
Bereits am 8. März 2020 habe es in Europa etwa genauso viele lokale Ansteckungen mit dem Virus gegeben wie durch Reisende aus dem Ausland eingeschleppt wurden, berichten Forscher um die Mathematikerin und Biostatistikerin Tanja Stadler von der ETH Zürich im Fachmagazin „PNAS“. Die EU schloss die Grenzen erst am 17. März.
Die Forscher hatten die Ausbreitung des Erregers anhand sequenzierter Virus-Genome nachvollzogen. „Wenn man die Grenzen mit dem Ziel geschlossen hat, das Virus nicht reinzulassen: Dafür war es zu spät“, sagte Stadler.
Bei Infektionsgeschehen, wie es am 8. März bereits vorhanden war, sei eine Grenzschließung nur noch verbunden mit einer drastischen Einschränkung der Kontakte im Land sinnvoll. Dann trage die Reduzierung der Kontakte aus dem Ausland etwas dazu bei, die Ausbreitung zu bremsen.
Stadler hat mit Kolleginnen und Kollegen die Ausbreitung von Sars-CoV-2 in Europa anhand entzifferter Virus-Genome aus 19 europäischen Ländern und der Provinz Hubei in China untersucht. Sie arbeitet im ETH-Departement für Biosysteme, das in Basel angesiedelt ist.
Zentraler Hebel: Man hätte Hubei frühzeitig abschotten müssen
Aus der Aufarbeitung könnten Schlüsse für eine mögliche neue Pandemie gezogen werden, so Stadler. „Hätte man früher anerkannt, welche Gefährlichkeit die Pandemie hat, hätte man den Infektionsherd austrocknen müssen. Aus epidemiologischer Sicht wäre eine frühe Abschottung des Ausgangsortes der Pandemie in der chinesischen Provinz Hubei zentral gewesen“, sagte die Forscherin.
„Es ist extrem wichtig, am Anfang schnell zu handeln, um zu verhindern, dass ein Virus global zirkulieren kann. Aber im Nachhinein weiß man immer mehr.“
In Deutschland sei die erste bekannte Infektionskette – nach der Ansteckung von Mitarbeitern der Firma Webasto in Oberbayern bei einer chinesischen Kollegin – Ende Januar unterbrochen worden. Diese Linie sei wahrscheinlich ausgelaufen und komplett beendet. Es seien aber weitere Infektionen nach Deutschland gebracht worden, aus China und aus Italien, wo der erste große Ausbruch in Europa passierte.
In Italien hätten die Ansteckungen vor Ort etwa Mitte Februar begonnen. „Ende Februar fing die lokale Zirkulation in Deutschland an“, sagte Stadler. Die Virusvariante, die bis zum späten Frühjahr in Europa grassierte, habe sich wahrscheinlich großteils von Hubei aus über Italien ausgebreitet. (dpa)
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.
0
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.