Politische Verfolgung?
Streit über politischen Asylfall zwischen Polen und Ungarn eskaliert
Ungarn beschuldigt Polen, politische Gegner durch die Justiz verfolgen zu lassen. Ein Streit zwischen Warschau und Budapest, nachdem Ungarn einem ehemaligen polnischen Beamten Asyl gewährt hatte, eskaliert bereits am ersten Tag der polnischen EU-Ratspräsidentschaft.

Polens Ministerpräsident Donald Tusk am 3. Januar 2025 in Warschau vor der Eröffnungsgala der polnischen EU-Präsidentschaft.
Foto: Wojtek Radwanski/AFP via Getty Images
Polen hat die sechsmonatige rotierende EU-Präsidentschaft von Ungarn übernommen. Die Eröffnungsfeier der polnischen Präsidentschaft fand am 3. Januar im Nationaltheater in Warschau statt. Allerdings erklärte die polnische Regierung bereits im Vorfeld, dass der ungarische Botschafter in Warschau „im Theater nicht willkommen“ sei. Auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán wurde nicht eingeladen.
Der diplomatische Streit wurde durch den Fall von Marcin Romanowski ausgelöst. Der rechtsgerichtete Politiker erhielt nämlich kürzlich Asyl in Ungarn. In Polen wird der ehemalige stellvertretende Justizminister wegen Korruptionsvorwürfen gesucht.
Der politische Berater und Direktor des ungarischen Ministerpräsidenten, Balázs Orbán (nicht verwandt mit dem Regierungschef Orbán), reagierte auf die Ereignisse auf X:
„Marcin Romanowski wurde von den polnischen Behörden trotz seiner parlamentarischen Immunität verhaftet, sodass es zumindest fraglich ist, ob er einen fairen Prozess erwarten kann. Nach den Verfahren gegen Donald Trump, Matteo Salvini, Marine Le Pen und andere ist dies ein weiteres Beispiel dafür, dass die Linke versucht, das Justizsystem als Waffe gegen ihre politischen Gegner einzusetzen“, sagte er.
Wenn die Aufnahme von politischen Flüchtlingen und das Eintreten für Gerechtigkeit bedeuten, dass ungarische Politiker von einigen Eröffnungszeremonien ausgeschlossen werden müssten, sei dies „den Preis wert“, fügte er hinzu.
Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó reagierte auch auf den Vorfall. Er sagte, dass zwei Begriffe im Zusammenhang mit der Entscheidung des Kollegen des polnischen Außenministers verwendet werden können: „erbärmlich und kindisch.“
Die Gefahr eines unfairen und politisch beeinflussten Prozesses?
Romanowski war zwischen 2019 und 2023 stellvertretender Justizminister in der von rechtsgerichteter PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) geführten polnischen Regierung. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, in dieser Funktion fast 40 Millionen Euro veruntreut oder dies versucht zu haben.
Ungarns Regierung zufolge bestehe für Romanowski in seinem Heimatland die Gefahr eines unfairen und politisch beeinflussten Prozesses. Kanzleramtsminister Gergely Gulyás erklärte im Dezember, dass Ungarns Regierung keine Stellungnahme zu den Anschuldigungen gegen Romanowski abgeben könne. Hierbei handele es sich lediglich darum, dass in seiner Heimat eine unparteiische und von politischer Einflussnahme freie Beurteilung des Falles nicht zweifelsfrei gewährleistet sei.
Der polnische Außenminister Radosław Sikorski allerdings nannte die ungarische Entscheidung, Romanowski Asyl zu gewähren, auf X einen „feindlichen Akt“.
Romanowski bestreitet die Vorwürfe
Im Mittelpunkt des Skandals steht der Vorwurf, dass Romanowski für seinen Vorgesetzten, den Justizminister Zbigniew Ziobro, Gelder aus dem sogenannten Gerechtigkeitsfonds an dessen Partei Solidarisches Polen, später bekannt als Souveränes Polen, „umgeleitet“ haben soll. Der Fonds hatte ursprünglich zum Ziel, Opfern von Straftaten zu helfen.
Romanowski sagte hingegen in einem Interview mit dem Sender „wPolsce24“ am 2. Januar, dass kein Geld aus dem polnischen Justizfonds veruntreut worden sei.
Das Geld, von dem die Medien und Staatsanwälte seines Landes behaupten, es sei veruntreut worden, sei für Projekte verschiedener Organisationen verwendet worden, so Romanowski. „Diese Projekte wurden gemäß dem vorgesehenen Zeitplan umgesetzt. Es ist kein einziger Euro verloren gegangen“, wurde er von der ungarischen Zeitung „mandiner“ zitiert.
Der Politiker betonte, dass die Behauptung, jemand habe etwas gestohlen oder veruntreut, vor diesem Hintergrund „eine absolute Lüge“ sei. Er versprach außerdem, dass seine Ankläger eine angemessene Antwort erhalten würden, sogar in Form einer Klage wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte.
Die polnische Staatsanwaltschaft ist offenbar anderer Meinung. Der Haftbefehl gegen Romanowski wurde bereits am 12. Dezember erlassen. Das Bezirksgericht Warschau stellte mittlerweile einen europäischen Haftbefehl gegen ihn aus. Laut „24.hu“ hätte Ungarn diesen vollstrecken müssen.
Nun verteidigt sich der Politiker in Ungarn.
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