Bis Ende des Jahres eingesperrt?
Erneut Studentenproteste in China

Studentenproteste in Tianjin am 26. Mai 2022.
Foto: Soziale Medien
Am Donnerstag, dem 26. Mai, kam es an der chinesischen Universität Tianjin wegen der strengen Corona-Maßnahmen zu Demonstrationen. Studenten riefen “nieder mit der Bürokratie” und forderten, den abgeriegelten Campus verlassen und nach Hause gehen zu dürfen. Dutzende Polizisten kamen zur Universität, um den Protest zu unterbinden, und das kurz vor einem der heikelsten Jahrestage Chinas.
Nach mehreren größeren Protesten an Pekinger Universitäten schlossen sich letzten Donnerstag nun auch die Studenten der Universität in Tianjin an. Wegen der strengen Corona-Vorschriften der Stadt sitzen sie auf dem Campus fest und können nicht nach Hause.
Hunderte versammelten sich auf dem Campus, um zu protestieren und riefen: „Lasst uns (nach Hause) gehen.“
Die Studenten entschieden sich bewusst für einen Massen-Appell, anstatt ihr Anliegen ausschließlich im Stillen gegenüber den Zuständigen oder dem Schulleiter vorzubringen. Besonders besorgniserregend waren für die Behörden die zwei neuesten Protestslogans:
“Nieder mit dem Formalismus” und “Nieder mit der Bürokratie”.
Was ist mit Formalismus gemeint? In westlichen Ländern hört man diesen Begriff selten, in autoritär geführten Ländern dafür häufiger.
Laut dem chinesischen Wirtschaftsanalytiker Tang Jingyuan bezieht sich der sogenannte “Formalismus” darauf, dass Situationen oder Ereignisse im Voraus geplant werden, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen.
Die Studenten haben sich in diesem Fall über die monatelange Abriegelung des Campus beschwert – vor allem deshalb, weil es in der Region keine neuen Corona-Fälle gab. Sie sagen, dass das Leben auf dem Campus schwierig geworden sei. Die Preise für lebenswichtige Güter seien in die Höhe geschossen.
Die örtlichen Behörden befahlen allen Studenten in Tianjin, ab Freitag drei Tage lang in den Häusern zu bleiben und auf weitere Anweisungen zu warten. Den Schülern wurde mitgeteilt, dass sie bis zum Ende des Jahres auf dem Campus bleiben müssen.
Bewohnern der Stadt ist es derzeit verboten, das Auto oder ähnliches zu benutzen. Nur Krankenwagen, Feuerwehr und Polizei fahren noch. Als einzige Geschäfte sind Supermärkte und Apotheken offen.
China verfolgt eine strikte Null-COVID-Strategie. Der lange Lockdown in Shanghai und seine Folgen hatten kürzlich weltweit für Aufsehen gesorgt. Bei den Protesten an der Universität in Tianjin forderten die Studenten auf ihren Plakaten:
Erstens, dass sie nach Hause gehen dürfen. Und zweitens, dass alle, die an den Protesten teilgenommen haben, nicht bestraft werden.
Berichten zufolge planen die Studenten am Samstag eine erneute Demonstration, um den Druck auf die Schulbehörden aufrechtzuerhalten.
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