Aufregung um Zwei-Klassen-Justiz
Sohn eines Exekutions-Opfers: „Er muss wieder wach werden“

Xia Junfeng mit seiner Frau Zhang Jing und ihrem Sohn Xia Jianqiang.
Foto: Weibo, genehmigt von Xias Ehefrau Zhang Jing
Die Wogen gehen in China nach der Exekution eines Familienvaters am 25. September hoch. Der 37-jährige Xia Junfeng hat sich gegen zwei Ordnungshüter – die berüchtigten „Chengguan“ – zur Wehr gesetzt, die ihn und andere verprügelt haben. Dabei erstach er zwei der Ordnungshüter.

Die berüchtigten „Chengguan“ verprügelten Xia und andere Straßenverkäufer. Acht Fotos kursieren nach der Exekution Xias im Internet. Foto: Weibo, genehmigt von Xias Ehefrau Zhang Jing
Eine sofortige Exekution, wie sie bei Xia durchgeführt wurde, setzt im chinesischen Strafrecht eine vorsätzliche Tötungsabsicht voraus. Sein Anwalt, der bekannte Menschenrechtsanwalt Teng Biao, sieht eine solche Absicht nicht gegeben. „Es war eindeutig Notwehr“, so Teng. „Ich habe auf „Nicht schuldig“ plädiert, doch meine Verteidigung wurde gar nicht berücksichtigt.“13-jähriger Sohn zeichnete für Vater in der Todeszelle
Der mittlerweile 13-jährige Sohn des Straßenverkäufers, Xia Jianqiang, hat zahlreiche Zeichnungen (siehe Bildergalerie) für seinen Vater angefertigt, seit dieser im Jahr 2009 verhaftet worden war. „Er kommt zurück“, tröstete ihn seine Mutter Zhang Jing. Das Malen beruhigte ihn, meinte die Mutter. Sie musste ihren Sohn in den vergangenen vier Jahren, die ihr Mann im Gefängnis verbringen musste, alleine durchbringen.
Am Tag der Hinrichtung, dem 25. September, war der Junge sehr aufgeregt. „Ihr sollt mich nicht belügen – nach der Spritze ist Papa nur ohnmächtig geworden. Wir sollen ihn zurückholen, er muss wieder wach werden!“
Der Wunsch seines Sohnes wird sich nicht erfüllen: Am 26. September übergaben die kommunistischen Behörden der Ehefrau eine Urne mit der Asche von Xia Jun Feng. Sie kommentierte auf Weibo: „Du bist seit fast fünf Jahren nicht mehr bei uns – jetzt bist Du zu uns zurückgekommen.“
Die taiwanesische Sängerin Yi Nengjing (43) hat den Sohn von Xia Junfeng als Patenkind angenommen. Sie wird seine Ausbildung bezahlen und seine Malbegabung fördern.

Im chinesischen Twitter-Dienst Weibo macht sich nun massiver Unmut über die Zwei-Klassen-Justiz des kommunistischen Regimes breit.
Während Gu Kailai, die Frau des ehemaligen Bürgermeisters der Millionenmetropole Chongquing, Bo Xilai, für den Mord am britischen Unternehmer Neil Heywood zu lebenslanger Haft verurteilt wurde – aus „Respekt vor Menschenleben“, so die Begründung des Gerichts – wurde beim Straßenverkäufer Xia keinerlei Milde walten gelassen.
Er durfte seine Frau und seinen kleinen Sohn nur noch einmal durch eine Glasscheibe sehen, bevor er exekutiert wurde. Dass er gleich danach hingerichtet werden würde, wurde ihr nicht mitgeteilt.
Ein bekannter Blogger, der Intellektuelle He Jia Fa, twittert: „Heute ist der dunkelste Tag Chinas. Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit schlagen mich nieder.“
Er hatte sogar noch via Weibo mit anderen Bloggern gewettet, dass der Oberste Volksgerichtshof dem Todesurteil nicht zustimmen wird. „Ich bin der Dümmste“, geißelt sich He selbst. „Ich sollte mir 500 Ohrfeigen geben.“
25 Rechtsanwälte protestieren offiziell gegen das Urteil
Eine der führenden Persönlichkeiten des Studentenprotests von 1989, der Demokratieaktivist Yang Jian, ruft am chinesischen Nationalfeiertag zu einem „Protest mit Töpfen und Pfannen“ auf.
Die Menschen sollen im Gedenken an den Straßenverkäufer Xia und aus Protest gegen die Zwei-Klassen-Justiz Töpfe und Pfannen aufeinander schlagen.
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09. Februar 2022
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