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Gedicht des Tages

Das Weidenkätzchen – Von Christian Morgenstern

Aus der Reihe Epoch Times Poesie - Gedichte und Poesie für Liebhaber

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Wir sind ausgeschlagen aus dem Weidenbaum, haben winterüber drin geschlafen, Lieber, in tieftiefem Traum.

Foto: iStock

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Lesedauer: 1 Min.

Das Weidenkätzchen

Kätzchen ihr der Weide,
wie aus grüner Seide,
wie aus grauem Samt!
Oh, ihr Silberkätzchen,
sagt mir doch ihr Schätzchen,
sagt, woher ihr stammt!
Wollens gern dir sagen:
wir sind ausgeschlagen
aus dem Weidenbaum,
haben winterüber
drin geschlafen, Lieber,
in tieftiefem Traum.
In dem dürren Baume,
in tieftiefem Traume
habt geschlafen ihr?
in dem Holz, dem harten,
war, ihr weichen, zarten,
euer Nachtquartier?
Musst dich recht besinnen;
was da träumte drinnen,
waren wir noch nicht,
wie wir jetzt im Kleide
blühn von Samt und Seide
hell im Sonnenlicht.
Nur als wie Gedanken
lagen wir im schlanken
grauen Baumgeäst;
unsichtbare Geister,
die der Weltbaumeister
dort verweilen lässt.
Kätzchen ihr der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
Oh, ihr Silberkätzchen,
ja, nun weiß,
ihr Schätzchen,
ich, woher ihr stammt.
Christian Morgenstern  (1871 – 1914)

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