Gebete in die Sonne - Von Elisabeth Janstein
Aus der Reihe Epoch Times Poesie - Gedichte und Poesie für Liebhaber

Im Licht der untergehenden Sonne spazieren Urlauber im Ostseebad auf Usedom am Strand entlang. Der Touristen-Hotspot füllt sich nach vielen Wochen coronabedingter Zwangspause wieder. Foto: Stefan Sauer/dpa/dpa
Foto: Stefan Sauer/dpa/dpa
Gebete in die Sonne
O daß ich plötzlich Stimme bekäme,
Die vor Kraft anschwillt, wie die Traube vor Wein.
Daß eine Macht das Eingeengtsein,
Die Grenzen aus meinem Blute nähme,
Daß alle wüßten: Ich bin groß
Und schleudere meinen Willen in Speichen
Zermalmenden Rades, daß alle bleichen
Gesichter noch tiefer erbleichten
Und fühlten: O Kraft ist grenzenlos . . .
Die vor Kraft anschwillt, wie die Traube vor Wein.
Daß eine Macht das Eingeengtsein,
Die Grenzen aus meinem Blute nähme,
Daß alle wüßten: Ich bin groß
Und schleudere meinen Willen in Speichen
Zermalmenden Rades, daß alle bleichen
Gesichter noch tiefer erbleichten
Und fühlten: O Kraft ist grenzenlos . . .
Daß ich plötzlich alle Weisheit bekäme,
Weisheit der Blume, der Tiere, des Windes,
Daß ich unverbaut, mit eines Kindes
Augen die Dinge in mich nähme,
Nicht mehr umgürtet von harten Bezirken
In Dünsten schwelender, dunkler Erfahrung,
Sehend und wissend. Voll Offenbarung,
Durchströmt von aller Kräfte Wirken.
Weisheit der Blume, der Tiere, des Windes,
Daß ich unverbaut, mit eines Kindes
Augen die Dinge in mich nähme,
Nicht mehr umgürtet von harten Bezirken
In Dünsten schwelender, dunkler Erfahrung,
Sehend und wissend. Voll Offenbarung,
Durchströmt von aller Kräfte Wirken.
O daß ich plötzlich Worte fände
Von weinender Süße alter Geigen,
Worte, die sich voll Zartheit neigen,
Worte, die wie Fackeln und Brände
Dunkel zerreißen, Abend zerspalten,
Seelen aufstaunend verwandeln lassen,
Alle Geliebtheit, Trauer und Hassen
Durchscheinend wie Glas gegen Sonne halten –
Von weinender Süße alter Geigen,
Worte, die sich voll Zartheit neigen,
Worte, die wie Fackeln und Brände
Dunkel zerreißen, Abend zerspalten,
Seelen aufstaunend verwandeln lassen,
Alle Geliebtheit, Trauer und Hassen
Durchscheinend wie Glas gegen Sonne halten –
O daß ich plötzlich Sinn bekäme . . .
Elisabeth Janstein (1893 – 1944)
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