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Gedicht des Tages

Prinz Vogelfrei – Von Friedrich Nietzsche

Aus der Reihe Epoch Times Poesie - Gedichte und Poesie für Liebhaber

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Prinz Vogelfrei in der Sambawelt von Rio.

Foto: MAURO PIMENTEL/AFP/Getty Images

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Lesedauer: 1 Min.

Prinz Vogelfrei
So hing ich denn auf krummem Aste
Hoch über Meer und Hügelchen:
Ein Vogel lud mich her zu Gaste –
Ich flog ihm nach und rast’ und raste
Und schlage mit den Flügelchen.
Das weiße Meer ist eingeschlafen,
Es schläft mir jedes Weh und Ach.
Vergessen hab’ ich Ziel und Hafen,
Vergessen Furcht und Lob und Strafen:
Jetzt flieg ich jedem Vogel nach.
Nur Schritt für Schritt – das ist kein Leben,
Stets Bein vor Bein macht müd und schwer!
Ich lass mich von den Winden heben,
Ich liebe es, mit Flügeln schweben
Und hinter jedem Vogel her.
Vernunft? – das ist ein bös Geschäft:
Vernunft und Zunge stolpern viel!
Das Fliegen gab mir neue Kräfte
Und lehrt’ mich schönere Geschäfte,
Gesang und Scherz und Liederspiel.
Einsam zu denken – das ist weise.
Einsam zu singen – das ist dumm!
So horcht mir denn auf meine Weise
Und setzt euch still um mich im Kreise,
Ihr schönen Vögelchen, herum!
Friedrich Nietzsche (1844 – 1900)

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