Gedicht des Tages
Wenn ein Gewitter einen Donner vergisst
Der vergessene Donner
Ein Gewitter, im Vergehn,
ließ einst einen Donner stehn.
ließ einst einen Donner stehn.
Schwarz in einer Felsenscharte
stand der Donner da und harrte –
stand der Donner da und harrte –
scharrte dumpf mit Hals und Hufe,
dass man ihn nach Hause rufe.
dass man ihn nach Hause rufe.
Doch das dunkle Donnerfohlen –
niemand kam’s nach Haus zu holen.
niemand kam’s nach Haus zu holen.
Sein Gewölk, im Arm des Windes,
dachte nimmer seines Kindes –
dachte nimmer seines Kindes –
flog dahin zum Erdensaum
und verschwand dort wie ein Traum.
und verschwand dort wie ein Traum.
Grollend und ins Herz getroffen,
lässt der Donner Wunsch und Hoffen,
lässt der Donner Wunsch und Hoffen,
richtet sich im Felsgestein
wie ein Bergzentaure ein.
wie ein Bergzentaure ein.
Als die nächste Frühe blaut,
ist sein pechschwarz Fell ergraut.
ist sein pechschwarz Fell ergraut.
Traurig sieht er sich im See
fahl, wie alten Gletscherschnee.
fahl, wie alten Gletscherschnee.
Stumm verkriecht er sich, verhärmt;
nur wenn Menschheit kommt und lärmt,
nur wenn Menschheit kommt und lärmt,
äfft er schaurig ihren Schall,
bringt Geröll und Schutt zu Fall …
bringt Geröll und Schutt zu Fall …
Mancher Hirt und mancher Hund
schläft zu Füßen ihm im Schrund.
schläft zu Füßen ihm im Schrund.
Christian Morgenstern (1871-1914)
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.
0
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.