
Anti-Zensur-Gesetz: Polen verbietet sozialen Netzwerken Löschen legaler Inhalte
In Polen soll künftig die Redefreiheit der Bürger vor ideologischer Zensur durch soziale Netzwerke geschützt werden. Das Justizministerium hat eine Vorlage ausgearbeitet, der zufolge legale Inhalte in sozialen Medien nicht gelöscht oder sanktioniert werden dürfen.

Flagge von Polen.
Foto: iStock
Polens Regierung will offenbar ein Gesetz in den Sejm einbringen, das es sozialen Netzwerken untersagen soll, Inhalte zu löschen, die gegen keine Gesetze verstoßen. Wie der stellvertretende Justizminister Sebastian Kaleta in einem Interview mit „wPolityce“ erklärt, soll auf diese Weise ideologische Zensur verhindert werden. Zudem sei es ein Zeichen gegen doppelte Standards vonseiten der Betreiber sozialer Medien.
Polen plant elektronischen „Sondergerichtshof für Redefreiheit“
Justizminister Zbigniew Ziobro kündigte polnischen Medien zufolge am Donnerstag (17.12.) an, die Gesetzesinitiative solle es Nutzern sozialer Medien ermöglichen, Beschwerden gegen die Entfernung von Online-Posts einzureichen. Zudem soll es einen „Sondergerichtshof für die Redefreiheit“ geben. Das Gesetz solle den Nutzern die Gewissheit geben, dass ihre Rechte geschützt seien und ihre Beiträge nicht willkürlich von den Betreibern der Netzwerke gelöscht werden können.
Der volle Name des Gesetzes lautet „Gesetz zur Freiheit der Äußerung eigener Überzeugungen und zur Suche und Verbreitung von Informationen im Internet“.
Sozialen Netzwerkbetreibern wird es demnach nicht mehr erlaubt sein, Inhalte zu löschen und Accounts zu löschen, wenn diese nicht gegen in Polen geltende Gesetze verstoßen. Nutzer können sich dann gegen Schritte dieser Art erst mit einer Beschwerde an die Plattform selbst wenden, die 24 Stunden Zeit hat, darüber zu entscheiden.
Bußgelder bis zu 1,8 Millionen Euro
Gegen diese Entscheidung hat der Nutzer, sollte sie nicht in seinem Sinne ausfallen, binnen weiterer 48 Stunden die Möglichkeit, die Wiedereinsetzung seines Beitrages oder Accounts zu beantragen. Das Gericht wird dem Gesetz zufolge innerhalb von sieben Tagen im Rahmen eines elektronisch geführten Verfahrens über die Beschwerde entscheiden.
Sollte das soziale Netzwerk sich weigern, einer Gerichtsentscheidung zugunsten eines Beschwerdeführers Folge zu leisten, könnte die staatliche Behörde für elektronische Kommunikation eine Geldbuße von umgerechnet bis zu 1,8 Millionen Euro verhängen.
Ideologische Zensur schafft Raum der Willkür
Mit ihrer Gesetzesinitiative will die polnische Regierung vor allem ideologischer Zensur und Willkür entgegenwirken. Ziobro erklärte:
„Häufig sind die Opfer ideologischer Zensur in Polen auch Vertreter hier tätiger Gruppen, deren Inhalte entfernt und blockiert werden aus dem einzigen Grund, dass sie Ansichten vertreten und sich von Werten leiten lassen, die aus Sicht der Betreiber der Netzwerke nicht akzeptabel sind – die ihrerseits dadurch einen noch stärkeren Einfluss auf die Funktionsweise der sozialen Medien ausüben.“
Man sei sich darüber im Klaren, dass es sich nicht um ein einfaches Thema handele. Das Ziel der Regierung sei es jedoch, jeder Seite einen gleichberechtigten Zugang zu einer nach objektiven Kriterien gefällten Entscheidung zu ermöglichen – darüber, ob ein Inhalt auf sozialen Medien tatsächlich persönliche Rechte oder Gesetze verletzt und eliminiert werden kann, oder ob dies Zensur darstellt.
In Polen soll alles geäußert werden dürfen, was kein Gesetz verletzt
Auch Stellvertreter Kaleta unterstreicht, dass es vor allem darum gehe, ideologische Zensur zu unterbinden. Gegenüber „wPolityce“ betont er:
„Wir sehen beunruhigende Phänomene in der öffentlichen Debatte, in den sozialen Medien, wo wichtige Inhalte von anonymen Moderatoren entfernt werden. Jemand kann willkürlich entscheiden, dass einige Inhalte gefährlich sind, und das ist gefährlich für die Debatte.“
Kaleta erklärt, das Gesetz müsse jedem Bürger gewährleistet werden, dass er seine Redefreiheit auch im öffentlichen Raum ausübt, solange er damit nicht gegen Gesetze verstößt. Dieses solle entscheiden, was in Polen öffentlich geäußert werden darf, und nicht anonyme Moderatoren, die unpräzise „Gemeinschaftsstandards“ interpretieren und im Regelfall nicht einmal über eine juristische Ausbildung verfügen.
Keine Zensur gegen linksextreme Anhänger des „Frauenstreiks“
Darüber hinaus sei auch schon zu beobachten gewesen, dass in sozialen Medien auch mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Inhalte unbeanstandet blieben, die offenbar aber ideologisch mit der Ausrichtung der Betreiber der Netzwerke konformgingen.
So habe es mehrere Fälle der Aufstachelung zu Gewalt und der Verletzung des privaten und persönlichen Lebensbereiches durch Anhänger des von linksextremistischen und gewaltbereiten Kräften dominierten „Frauenstreiks“ gegeben.
Diese hätten unter anderem Adressen oder Aufnahmen von Häusern missliebiger Politiker gepostet, ohne dass dies von den Social-Media-Betreibern unterbunden worden wäre.
Social Media werde nicht zum rechtsfreien Raum
Dennoch sollen die sozialen Netzwerke in Polen kein rechtsfreier Raum werden. Gesetze zum Schutz der Menschenwürde und der persönlichen Ehre rechtfertigen weiterhin das Entfernen von Inhalten, die gegen diese Schutzgüter gerichtet sind.
Weiterhin nicht zulässig, werden öffentliche Beleidigungen und Falschbehauptungen über gewählte Amtsträger, die polnische Nation, die Republik oder das politische System sein.
Ebenso erfüllen Diffamierung von Religionen oder Aufstachelung zu Hass oder Gewalt gegen Personengruppen, Institutionen oder Einrichtungen oder deren Angehörige in Polen weiterhin einen Straftatbestand.

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