Die Türkei hat am 18. April eine Luft- und Bodenoffensive gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in den nordirakischen Regionen Metina, Zap und Avashin-Basyan gestartet. Der Grund: Die PKK habe einen groß angelegten Angriff auf die Türkei geplant. Die PKK ist eine bewaffnete Gruppe, die seit fast vier Jahrzehnten für die kurdische Autonomie in der Türkei kämpft.
Operation ist „Selbstverteidigung“
Die Operation mit dem Namen „Claw-Lock“ hat bisher drei türkischen Soldaten das Leben gekostet. 45 kurdische Kämpfer seien bei der Offensive bisher „neutralisiert“ worden, zitierte
„TimeTürk“ den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.
Das türkische Militär verwende den Begriff „neutralisiert“, um die Tötung oder Gefangennahme von PKK-Kämpfern zu bezeichnen, schreibt
„Ahval“, eine von den Emiraten finanzierte Online-Nachrichtenwebsite.
Die Türkei erklärt, ihre jüngste Militäroperation stehe im Einklang mit dem Grundsatz der Selbstverteidigung der Vereinten Nationen. In einer Pressekonferenz sagte Omer Celik, Sprecher der Regierungspartei AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi), die Operation sei eine Präventivmaßnahme, um „einen groß angelegten Angriff der PKK abzuwehren“.
„Wir müssen unser Volk auf der Grundlage des in
Artikel 51 der UN-Charta verankerten Rechts auf Selbstverteidigung schützen“, sagte er. Das irakische Außenministerium wies dies jedoch mit der Begründung zurück, Artikel 51 erlaube keine Verletzung der Souveränität eines unabhängigen Landes.
Während einer
Parlamentssitzung am 20. April sagte Erdoğan, dass das Militär des Landes gegen terroristische Organisationen vorgehen müsse, die in die Türkei eindringen. Er sagte, nur Terroristen seien gegen solche Operationen.
Irak dementiert Zusammenarbeit
Der türkische Präsident wünschte den „heldenhaften Soldaten“ viel Erfolg bei der Operation, „die wir in enger Zusammenarbeit mit der irakischen Zentralregierung und der Regionalverwaltung im Nordirak durchführen“.
Die Zusammenarbeit hat das irakische Außenministerium jedoch dementiert. „Wir versichern, dass alles, was die türkische Seite über eine Koordinierung oder ein Abkommen mit der irakischen Regierung sagt, nicht wahr ist“,
sagte der Sprecher des Außenministeriums, Ahmed al-Sahhaf, laut der staatlichen Nachrichtenagentur „INA“.
„Der Irak betrachtet diese Aktion als eine Verletzung seiner Souveränität und der Unantastbarkeit des Landes sowie als einen Akt, der gegen internationale Chartas und Gesetze verstößt, die die Beziehungen zwischen Ländern regeln“, so das
Außenministerium.
Der Irak dürfe nicht zum Schauplatz von „Konflikten und Abrechnungen mit anderen externen Parteien“ werden. Die irakische Regierung rief den türkischen Botschafter in Bagdad, Ali Reza Guney, zu sich und übergab ihm eine, wie sie es nannte, „klar formulierte Protestnote“. Darin wurde er aufgefordert, „den Provokationen und inakzeptablen Verstößen ein Ende zu setzen“.
Will die Türkei mehr als nur Terroristen bekämpfen?
Laut „Jerusalem Post“ hätte die Türkei jedoch auch andere Ziele. Sie behauptet, die PKK zu bekämpfen, die sie als Terroristen bezeichnet, richtet aber Stützpunkte ein und nutzt den irakischen Luftraum.
Die Türkei pflegt enge Beziehungen zur autonomen kurdischen Region. Sie hat dort unter anderem Interesse an Energiehandel und Investitionen und deswegen möchte sie die PKK im Auge behalten.
Die Türkei hat in den letzten Jahren wiederholt Luftangriffe im Nordirak durchgeführt, die sich hauptsächlich gegen Gebiete in der kurdischen Region richteten, in denen PKK-Kämpfer konzentriert sind. Im Jahr 2020 startete die Türkei zwei groß angelegte Operationen mit den Codenamen Claw-Tiger und Claw-Eagle.
Etwa die Hälfte der 25 Millionen Kurden im Nahen Osten lebt im Südosten der Türkei. Die PKK entstand Ende der 1970er-Jahre als linksgerichtete Separatistengruppe und verübte eine Reihe von Anschlägen.
Landschaft und Viehzucht im Nordirak unmöglich
Die Aktionen der PKK haben zur Evakuierung Hunderter Dörfer geführt und mehrere Tausend Menschen gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. In den Gebieten, in denen sich die Kämpfer aufhalten, sind Landwirtschaft und Viehzucht unmöglich geworden, schreiben
türkische Medien, da die örtlichen Behörden keine Dienstleistungen wie Straßen- und Infrastrukturbau, Wasser und Strom zur Verfügung stellen.
Diejenigen, die in ihre Dörfer zurückkehren wollen, werden von den Terroristen daran gehindert. Auch Peshmerga-Soldaten – die Streitkräfte der Autonomen Region Kurdistan im Irak – stoßen gelegentlich mit den Terroristen zusammen, wodurch die Sicherheit gestört und die Bewohner bedroht werden, wenn es zu Kämpfen kommt. Auch von der PKK gelegte Minen haben im Laufe der Jahre zum Tod vieler Peshmerga-Kräfte geführt.
Das Ministerium für die irakisch-kurdischen Peschmerga-Kämpfer bestritt jedoch jegliche Zusammenarbeit oder Beteiligung an der neusten türkischen Militäroperation. „Wir weisen alle Anschuldigungen zurück und erklären, dass die Peshmerga-Kräfte nicht an diesen Operationen teilgenommen haben“, heißt es in einer Erklärung.