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Regierung unter Druck

Lehrerproteste in Budapest: Orbán hält Rede am Nationalfeiertag untypischerweise in Grenzstadt

Am Jahrestag des ungarischen Freiheitskampfes von 1956 demonstrierten zehntausende Menschen in der Hauptstadt mit und für ihre Lehrer. Die Lösungsvorschläge der Regierung fanden bisher nicht die Zustimmung der Massen. Anlässlich des Nationalfeiertages hielt Ministerpräsident Orbán – anders als sonst – seine Rede diesmal außerhalb von Budapest.

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Demonstration gegen die Bildungspolitik der Regierung und für bessere Arbeitsbedingungen am 23. Oktober 2022 auf einer Brücke in Budapest, Ungarn.

Foto: PETER KOHALMI/AFP via Getty Images

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Der 23. Oktober ist für die Ungarn von historischer Bedeutung. An diesem Tag im Jahr 1956 erhob sich das ungarische Volk gegen die sowjetische Besatzungsmacht.
Am Sonntag hielt Ministerpräsident Viktor Orbán seine Rede zu diesem besonderen Anlass jedoch untypischerweise nicht in der Hauptstadt, sondern in Zalaegerszeg (Egersee) in der Nähe der österreichischen Grenze. Zeitgleich fand in Budapest eine große Demonstration für die Rechte der Lehrer statt.
Fruzsina Schermann, Vorsitzende der Studentenbewegung „ADOM“ und Veranstaltungsleiterin, vermutet, dass der Ministerpräsident vor ihnen aufs Land geflohen ist. „Sie dachten, wir würden gar nicht erst anfangen, sie hofften, wir würden nicht weitermachen, und jetzt sind sie vor uns bis nach Zalaegerszeg geflohen“, berichtete das Oppositionsportal „Magyar Hang“.
Auf die Frage der Online-Nachrichtenseite „24.hu“, warum der Ministerpräsident seine Rede nicht in der Hauptstadt hielt, antwortete Kanzleramtsminister Gergely Gulyás, er sehe darin kein Problem, „weil auf dem Land mehr Menschen leben als in Budapest“.

Orbán: „Nur Einigkeit kann helfen“

In der Kreisstadt nahe der österreichischen Grenze hielt Ministerpräsident Viktor Orbán eine fast halbstündige Rede. Sie wurde bei der Einweihungsfeier des neuen Gebäudes des Mindszentyneum-Besucherzentrums gehalten, das das Leben von József Mindszenty präsentiert.
József Mindszenty war ein ungarischer Erzbischof und der letzte Fürstprimas von Ungarn. Wegen seines Auftretens gegen Ungerechtigkeiten wurde er mehrmals inhaftiert und war eine Symbolfigur des Widerstandes gegen den Kommunismus in Ungarn.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hält eine Rede zum Gedenken an den 66. Jahrestag des ungarischen Aufstands gegen die sowjetische Besatzung vor dem Mindszentyneum-Haus in Zalaegerszeg, Ungarn, am 23. Oktober 2022.

Foto: ATTILA KISBENEDEK/AFP via Getty Images

Orbán erinnerte an historische Ereignisse und Helden. Am Ende seiner Rede unterstrich er seine Botschaft für heute:
„1956 haben wir gelernt, dass in schwierigen Zeiten nur Einigkeit helfen kann. Machen wir uns keine Sorgen über diejenigen, die aus dem Schatten oder von den Höhen in Brüssel auf Ungarn schießen. Sie werden dort enden, wo ihre Vorgänger endeten. Seit Ungarn eine nationale Regierung hat, sind wir aus jeder Krise gestärkt hervorgegangen.“
Orbán wandte sich in seiner Rede auch an die Stimmen, die ihn wegen seiner Rede außerhalb von Budapest kritisierten: „Die Linken, die uns, die Menschen auf dem Land, belächeln, meinen, es sei nicht angemessen, heute in Zalaegerszeg zu feiern. Wie man ‚nur in Zalaegerszeg‘ sagt. Sie verstehen nicht, dass Budapest nicht dasselbe ist wie das Land. Sie verstehen nicht, dass 1956 keine Revolution einer einzelnen Stadt, sondern des ganzen Landes, ja der ganzen Nation war.“

Derweil in Budapest: Zehntausende demonstrieren für die Lehrer

Der Lehrer-Protest in der Hauptstadt richtete sich insbesondere gegen die schlechte Finanzausstattung der ungarischen Schulen. Die Demonstranten forderten auch eine bessere Bezahlung von Lehrerinnen und Lehrern.
Seit Beginn des Schuljahres finden in der Hauptstadt Budapest und anderen Städten von Lehrern und Schülern organisierte Demonstrationen für die Rechte der Lehrer statt. In diesem Jahr war es die bisher größte. Schätzungsweise nahmen 80.000 Menschen daran teil, berichtet das Nachrichtenportal „168.hu“.

Am 23. Oktober 2022 halten Demonstranten in Budapest Transparente mit der Aufschrift „Stoppt die Zerstörung der Bildung“ während eines Sympathiemarsches, um ihre Unterstützung für die Lehrer auszudrücken. .

Foto: Janos Kummer/Getty Images

Unter den Anwesenden waren Vertreter mehrerer Oppositionsparteien und der linke Bürgermeister von Budapest Gergely Karácsony hielt die Eröffnungsrede. Die Veranstalter kündigten weitere Demonstrationen an, um den Druck auf die Regierung aufrechtzuerhalten.
Die von der Regierung versprochene stufenweise Anhebung der Lehrergehälter kommt ab Januar. Denn auch nach Ansicht rechter Politiker, die die Gehaltserhöhungen größtenteils aus Brüsseler Mitteln finanzieren wollen, ist das derzeitige Lehrergehalt mit durchschnittlich 500 Euro pro Monat nicht angemessen. Die Regierung hat die Lehrer angesichts des derzeitigen Krieges und der Energiekrise jedoch um Geduld gebeten.

„Russen nach Hause!“

Die Demonstration war für viele mehr als nur ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Situation der Lehrer. Auf mehreren Schildern stand erneut „Russen nach Hause!“ („Ruszkik Haza!“), es gab zudem Schilder und Bilder, die ihre Vorbehalte gegenüber der prorussischen Politik Orbáns zum Ausdruck bringen und die engen Verbindungen zwischen Orbán und Putin karikieren.

Ein Demonstrant hält ein Transparent, das Viktor Orbán und Wladimir Putin zeigt, während eines Sympathiemarsches zur Unterstützung der Lehrer am 23. Oktober 2022 in Budapest, Ungarn.

Foto: Janos Kummer/Getty Images

Am  23. Oktober 1956 erhob sich das ungarische Volk gegen die russische Besatzung. Das sowjetische Symbol in der Mitte der ungarischen Nationalflagge wurde damals ausgeschnitten. Die Flagge mit dem Loch wurde zum Symbol der Revolution. Die Menge marschierte zum Parlament, wo sie einigen Quellen zufolge auf 200.000 anschwoll. Die Demonstranten auf dem Kossuth-Platz forderten die Unabhängigkeit. „Russen nach Hause!“ – riefen sie.
Orbán hat sich kürzlich in Berlin zu den Vorwürfen geäußert. Dort sagte er bei einer Podiumsdiskussion am 11. Oktober der „Berliner Zeitung“ und des Politikmagazins „Cicero“ gegenüber, dass er die ungarischen Interessen immer an die erste Stelle setze, obwohl er beschuldigt würde, Putins trojanisches Pferd zu sein, wies er die Kritik damit eindeutig zurück.

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