In der 2000-jährigen wechselvollen Geschichte der Katholischen Kirche waren auch schon mal Päpste selbst in den Tiber geworfen worden – von daher ist der Skandal rund um indigene Statuen aus der Amazonasregion, die am Montag (21.10.) in Roms bedeutendstem Fluss gelandet waren, in Relation dazu deutlich geringer.
Dennoch hat die Aktion, hinter der konservative katholische Aktivisten vermutet werden, weit über die Kirche hinaus Aufsehen erregt und illustriert, wie nahe die umstrittene „Amazonas-Synode“, die noch in dieser Woche mit einer Erklärung enden soll, den Katholizismus an den Rand einer Spaltung bringt.
„Der Gerechtigkeit ist Genüge getan“
Stein des Anstoßes ist die Dekoration des erweiterten Altarraums der katholischen Kirche Santa Maria in Traspontina nahe dem Vatikan mit Figuren, deren Ursprung die Volkskunst indigener Amazonasstämme ist und die nackte schwangere Frauen darstellen. Die Figuren wurden im Zusammenhang mit der Amazonas-Synode, im Zuge derer über Zukunftsfragen der Kirche beraten werden soll, nach Rom gebracht und waren zu Beginn der Veranstaltung auch in den Vatikanischen Gärten ausgestellt.
Das Portal kath.net
dokumentiert ein Video, in dem ein Unbekannter die Figuren aus der Kirche entwendet und von der Brücke vor der Engelsburg in den Fluss hinabstößt. Mehrere konservativ-katholische Webseiten hatten ebenfalls über die Aktion berichtet und diese in sozialen Medien zum Teil mit Häme kommentiert. Eine Seite schlagzeilte sogar: „Der Gerechtigkeit ist Genüge getan.“
Auch mehrere Kommentatoren brachten ihre unverhohlene Zustimmung zu der Entwendung und mutmaßlichen Zerstörung durch den Wurf in den Tiber zum Ausdruck. Einige verglichen die Tat gar mit dem Vorgehen des biblischen Richters und Israelitenführers Gideon gegen den Baalskult oder mit der Zerstörung des Goldenen Kalbes durch Mose im Buch „Exodus“.
Bereits zuvor hatte die Seite „LifeSite News“ eine Petition für die Entfernung der Statuen gestartet. Die Seite dokumentierte auch eine Bekennerbotschaft der mutmaßlichen Täter, in der davon die Rede war, dass Gläubige „von Mitgliedern der eigenen Kirche angegriffen“ würden.
Der Kommunikationsbeauftragte des Vatikans, Andrea Tornielli, warf den Verantwortlichen für die Aktion hingegen vor, „Fremdenhass“ und ein „gewalttätiges und intolerantes Gebaren“ an den Tag zu legen. Die Täter hätten „den Hass in sozialen Medien in Handeln übersetzt“. Reuters
zitiert ihn mit der Aussage:
„Im Namen von Tradition und Doktrin wurde ein Symbol von Mutterschaft und der Heiligkeit des Lebens in verächtlicher Weise weggeworfen.“
Über Bedeutung der Figuren im Unklaren gelassen
Darüber, was die Statuen darstellen sollen, hatte jedoch seit Beginn der Synode Unklarheit geherrscht. Dieser Umstand hat in weiterer Folge Spekulationen angefacht. Dass eine der Figuren die Jungfrau Maria – etwa in Form „Unserer Lieben Frau von Amazonien“ – darstellen soll, hat jedoch, wie die Catholic News Agency
berichtet, Synodensprecher Pater Giacomo Costa selbst vor einer Woche zurückgewiesen. Auch peruanische und brasilianische Beobachter der Synode erklärten gegenüber CNA Deutsch, sie wüssten nicht, was diese Statue darstellen soll.
Kritiker hingegen, die in der Synode selbst eine unnötige und gegen die kirchliche Lehre und Tradition gerichtete Veranstaltung sehen, argwöhnten, dass es sich sogar um heidnische oder gar dämonische Figuren handeln könnte. Die Rede war von möglichen Götzenfiguren der zum „Santeria“-Naturkult gehörigen Umbanda-Religion – oder von „Pachamama“, einer indigenen Göttin, die ihren eigenen Sohn geheiratet haben soll und als „Mutter Erde“ oder „Mutter des Kosmos“ angebetet wird. Insbesondere im Kontext des „Klimaschutzes“, dem auch der Vatikan unter Papst Franziskus eine wichtige Bedeutung zuerkennt, würde eine solche Interpretation naheliegen – andererseits werden aber gerade Fruchtbarkeit und Schwangerschaft im Zeichen der CO2-Doktrin als „klimaschädlich“ gebrandmarkt, was nicht zur Darstellung schwangerer Frauen passen würde.
Pater Costa meinte jedoch, dass die Darstellung schwangerer indigener Frauen „weder heidnisch noch heilig“ wäre, sondern das Leben symbolisiere. Diese naheliegende Deutung sprach auch aus kritischen Kommentaren konservativer Katholiken, die über die Zerstörungsaktion weniger glücklich waren und die zudem zu bedenken gaben, dass die Kirche im Laufe ihrer Geschichte bereits eine Vielzahl heidnischer Darstellungen inkulturiert habe.
Kommunikationspräfekt Paolo Ruffini meinte, manche Leute würden im Zusammenhang mit den Kunstwerken „Böses sehen, wo nichts Böses sei“.
Synode stieß bereits im Vorfeld auf Kritik
Die Amazonas-Synode, die am 6. Oktober im Vatikan begonnen hatte und noch bis 27. Oktober dauern wird, soll offenbar an die 2015 veröffentlichte Enzyklika „Laudato Si“ anknüpfen, in der dem „Kapitalismus“ vorgeworfen wurde, die „Lebensgrundlagen von Mensch und Natur“ zu zerstören. Auf der Amazonas-Synode solle nun unter anderem Kritik an der Abholzung des Regenwaldes geübt werden, die in jüngster Zeit wieder zunehme und die indigenen Völker in ihrer Existenz bedrohe. Das Leitthema der Synode lautet: „Neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“.
Bereits im Oktober 2017 hatte Papst Franziskus angekündigt, eine solche Synode abhalten zu wollen. Deren Hauptziel sei es, „neue Wege der Evangelisierung für diesen Teil des Volkes Gottes zu finden, insbesondere für die Indigenen, die regelmäßig vergessen werden und keine Aussicht auf eine gute Zukunft habe“.
Kritisch sieht hingegen der Präsident des Population Research Institute und Autor des Buches
„Bully of Asia: Why China’s Dream is the New Threat to World Order”, Steven W. Mosher, die Synode sowie deren Grundannahmen und Ziele. Auf
„Life Site News“ argwöhnt der Autor, es könnten sich ganz andere Ziele hinter der Veranstaltung verbergen als die Erforschung der Frage, welche Lehren zur Zukunft der Katholischen Kirche 300.000 als Jäger und Sammler lebende Ureinwohner beitragen könnten und wo deren entscheidende Bedeutung für die Zukunft des Planeten liegen solle.