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Parlament in Polen billigt Präsidentenwahl per Brief

Die Polen werden am Sonntag doch nicht ihr neues Staatsoberhaupt wählen. Die Abstimmung wird zwar nicht abgesagt, sie findet aber auch nicht statt. Ein juristischer Trick eint erstmal das zerstrittene Regierungslager. Doch der Konflikt ist damit nicht zu Ende.

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Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der nationalkonservativen Regierungspartei PiS: Polen wird die für den 10. Mai geplante Präsidentenwahl verschieben. Foto: Czarek Sokolowski/AP/dpa/dpa

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Lesedauer: 3 Min.

Nach der Einigung auf eine Verschiebung der Präsidentenwahl in Polen hat das Parlament in Warschau für eine Änderung des Wahlrechts gestimmt.
Die Novelle der nationalkonservativen Regierungspartei PiS sieht vor, die Wahl des Staatsoberhaupts wegen der Corona-Krise als reine Briefwahl abzuhalten.
Über einen neuen Termin für die Wahl gab es vorerst keine Klarheit. Vertreter der polnischen Opposition werteten es positiv, dass die Abstimmung nicht wie ursprünglich geplant am kommenden Sonntag stattfinden soll.

Debatten um Wahlmodus und -termin

Um den Wahltermin hatte es in Polen großen Streit gegeben. Die Opposition forderte eine Verschiebung bis zum Herbst, da die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus einen Wahlkampf unmöglich mache. Die PiS beharrte zunächst auf dem 10. Mai und wollte das Datum retten, indem die Abstimmung ausschließlich der Brief erfolgen sollte. Dazu war eine Änderung des Wahlrechts nötig – doch die wollte ein Teil der PiS-Fraktion nicht mittragen.
Am Mittwochabend verständigten sich PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und der ehemalige Vize-Ministerpräsident Jaroslaw Gowin auf eine Lösung. Weil es laut polnischer Verfassung schwierig wäre, den bereits festgelegten Wahltag zu verschieben, fanden sie ein juristisches Schlupfloch. Die Wahl soll an diesem Tag einfach nicht stattfinden – und der Oberste Gerichtshof kann sie deshalb anschließend für ungültig erklären. Danach soll die Parlamentspräsidentin ein neues Wahldatum festlegen.

Opposition bemängelt dominierende Rolle der PiS

Im Gegenzug gab nun die Gruppe der rebellischen PiS-Abgeordneten um Gowin ihren Widerstand gegen das sogenannte „Briefumschlag-Gesetz“ auf und stimmte im Parlament dafür. „Gestern haben wir eine Lösung ausgearbeitet, die gut für Polen ist. Sie garantiert sichere, vollkommen demokratische und transparente Wahlen“, sagte Gowin. Die Präsidentenwahl werde nicht mehr im Mai stattfinden, sondern zu einem späteren Zeitpunkt. Damit könne sich auch die Regierung wieder um das Leben und die Gesundheit der Polen und die Wiederbelebung der polnischen Wirtschaft nach dem Lockdown kümmern.
Vertreter der Opposition begrüßten zwar die Tatsache, dass die Wahl nun verschoben wird. Sie kritisierten aber die Art und Weise, wie die Lösung gefunden wurde. „Nicht das Verfassungsgericht, nicht die parlamentarische Mehrheit, nicht die Wahlkommission entscheiden, sondern nur der PiS-Vorsitzende Kaczynski“, sagte der Präsidentschaftskandidat vom Linksbündnis, Robert Biedron. Dies zeige den „gesellschaftlichen Missstand“ in Polen.

Wogen vorerst geglättet

Die PiS habe ihren Fehler eingesehen, sagte der Bewerber der konservativen Bauernpartei PSL, Wladyslaw Kosiniak-Kamysz. „Die Regierung war nicht in der Lage, (die Wahl) abzuhalten, und muss sich dafür bei den Polen entschuldigen“, so der Politiker.
EU-Justizkommissar Didier Reynders schrieb auf Twitter, er habe die Verlegung der Wahl registriert und sei erfreut über die Debatte, die es in Polen zu dem Thema gegeben habe. Die EU-Kommission werde die Organisation des Abstimmung weiter genau verfolgen. Polen liegt wegen der umstrittenen Justizreformen der PiS seit Jahren überkreuz mit der EU-Kommission, die mehrere Verfahren vor dem EuGH gegen Warschau eingeleitet hat. (dpa)
 

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