Proteste in Hongkong: Polizei überschwemmt die Stadt – Demonstrationen gegen das Nationalhymnen-Gesetz
Nach der Corona-Pause geht Hongkongs Protestbewegung wieder auf die Straßen. Die Demonstranten kämpfen gleich gegen zwei Gesetze, die Peking seiner Sonderverwaltungsregion verordnen will.
Mindestens 3.500 bewaffnete Polizisten haben die Straßen in Hongkong heute Morgen (27.5., Ortszeit 11 Uhr vormittags) überschwemmt, um die Proteste gegen ein Gesetz zu verhindern, das „die Verhöhnung der chinesischen Nationalhymne kriminalisiert“, schreibt „The Guardian“.
Das Parlament in Hongkong debattiert heute über das umstrittene Gesetz, das die chinesische Nationalhymne gegen Verunglimpfung schützen soll. Wegen der Parlamentssitzung hatten die Hongkonger Behörden bereits mit neuen Protesten gerechnet. Die Straßen um das Gebäude der Legislative herum sind schon seit Dienstag gesperrt, die Fußgängerzonen ebenso, schreibt „The Guardian“.
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Sprechchöre und Pfeffermunition
Einige hundert Demonstranten hatten sich am Mittwoch im Stadtteil Central versammelt und Sprechchöre gerufen. Die Polizei löste die Demonstration mit dem Einsatz von Pfeffermunition auf, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten.
Die Demonstranten in Hongkong riefen Parolen wie: „Das böse Gesetz kommt, die Menschen in Hongkong erwachen“ oder „Brüder, besteigt die Berge, unterstützt euch gegenseitig!“
Am 27. Mai sicherte die Bereitschaftspolizei in den frühen Morgenstunden das Gebiet um den Legislativrat stark ab. Die Behörden führten auch Stopp- und Durchsuchungsaktionen an der Fußgängerbrücke vor dem Legislativrat durch.
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Gegen Mittag (Ortszeit) gab die Polizei von Hongkong an, dass sie bis dahin mindestens 16 Personen festgenommen hatte.
Die Überführung vor dem Gebäude des Legislativrats in Hongkong wurde von der Bereitschaftspolizei streng bewacht und durchsucht, auf dem Bild sind Bürger zu sehen, die die Überführung überqueren.
Foto: ISAAC LAWRENCE/AFP über Getty Images
Das Gesetz zwingt der Bevölkerung von Hongkong chinesischen Nationalismus auf
Der Gesetzentwurf schreibt vor, dass Grund- und Sekundarschüler in Hongkong lernen müssen, den Text der chinesischen Nationalhymne zu singen und zu verstehen.
Außerdem verlangt er von Fernseh- und Radiosendern die Ausstrahlung von Propagandafilmen und Soundtracks, welche die Nationalhymne gemäß den Lizenzbedingungen bewerben. Die absichtliche Änderung des Textes wird ebenfalls verboten, auch das Singen der Nationalhymne in verzerrter und herabwürdigender Weise oder in anderer Weise beleidigend.
Wenn jemand gegen einen dieser Punkte verstößt, gilt es als Straftat und wird mit einer Geldstrafe von 50.000 HK$ (Circa 5.900 Euro) und einer Freiheitsstrafe von drei Jahren bestraft.
Der Entwurf scheint zunächst eher harmlos zu sein, die Forderungen und Verbote trivial. Joshua Wong, Generalsekretär der Hongkonger Demokratischen Partei Demosistō, weist auf die Gefahren des Gesetzes hin und argumentiert, die Gesetzgebung sei „im Grunde ein Vorschlag, um der Bevölkerung von Hongkong chinesischen Nationalismus aufzuzwingen“ und sei
„voller vager Bestimmungen, die interpretiert und möglicherweise missbraucht werden können“.
Das gefährlichste Element des Gesetzes besteht nach Ansicht des Hongkonger Abgeordneten Eddie Chu darin, das Volk mit Hilfe des Gesetzes dazu zu zwingen, seine Loyalität zu einem Regime zu bekunden, mit dem es möglicherweise nicht einverstanden ist.
Dadurch wird den Menschen in Hongkong das Recht vorenthalten, Stellung zu beziehen. Eine Einmischung in die Angelegenheiten des Legislativrats (Parlament) wird befürchtet und letztendlich die Verletzung der Autonomie Hongkongs.
Zweite Lesung am 27. Mai
Die Kommunistische Partei Chinas übt immer wieder Druck auf Hongkong aus und verlangt Gesetzesänderungen, welche die Autonomie Hongkongs Stück für Stück abbauen. Das Nationalhymne-Gesetz ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.
Der Hongkonger Legislativrat hat nun (27. Mai) die sogenannte zweite Lesung des Gesetzes zur Nationalhymne aufgenommen.
Am 27. Mai 2020 wurde das Nationalhymne-Gesetz im Hongkonger Legislativrat verlesen. Abgebildet ist der Direktor für politische Angelegenheiten, Herr Zhang Jianzong.
Foto: DajiYuan
Der Gesetzentwurf zur Nationalhymne wurde erstmals am 11. Januar 2019 veröffentlicht und am 23. Januar desselben Jahres zum ersten Mal verlesen. Am 12. Mai 2020 schrieb der Chefsekretär für die Verwaltung von Hongkong, Matthew Cheung, an Frau Starry Lee, Mitglied des Legislativrats der “Demokratischen Allianz für Verbesserung und Fortschritt” in Hongkong.
Cheung hoffte, dass Lee die Debatte über den Nationalhymne-Gesetzesentwurf und andere zehn Gesetzentwürfe am 27. Mai in zweiter Lesung wieder aufnehmen würde.
Hongkonger rufen zur Demonstration auf – auch gegen das “Sicherheitsgesetz”
Einige Hongkonger haben im Internet zur Belagerung des Legislativrats oder zur Teilnahme an den „Großen Drei Streiks“ und Kundgebungen vor dem Legislativrat am 27. Mai aufgerufen. Die Demonstrationen richten sich sowohl gegen das Nationalhymnengesetz als auch das Gesetz zur nationalen Sicherheit.
Zuvor hatten die Kommunistische Partei Chinas und der chinesische Nationale Volkskongress am 22. Mai den Entwurf des „Hongkonger Version des Nationalen Sicherheitsgesetzes“ veröffentlicht, und es wird erwartet, dass der Kongress den Entwurf am Donnerstag (28. Mai) verabschiedet.
Es soll „Separatismus“ und „Aufruhr“ in Hongkong verbieten und ist eine Reaktion auf die monatelangen Massenproteste gegen die Peking-treue Hongkonger Regierung im vergangenen Jahr. Viele Bürger von Hongkong befürchten, dass durch das Gesetz die Bürgerrechte in der Sonderverwaltungszone massiv eingeschränkt werden sollen.
Der Schritt Pekings löste eine starke Gegenreaktion aus allen Sektoren in Hongkong aus. Über 200 internationale Politiker aus 23 Ländern sprachen sich gegen die „Hongkonger Version des Nationalen Sicherheitsgesetzes“ aus und forderten Sanktionen gegen die Kommunistische Partei Chinas.
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