
„Schnupfen-Quarantäne“ kann zu Einbußen in Milliarden-Höhe führen
Die sogenannte„Schnupfen-Quarantäne“ bezeichnet die Empfehlung von Bund und Ländern an Arbeitnehmer, schon bei einfachen Erkältungssymptomen nicht zur Arbeit zu gehen. Die Kosten könnten hoch sein.

Eine Frau mit Schnupfen.
Foto: bernardbodo/iStock
Die Zeiten, in denen Klagen über sogenannten Präsentismus an der Tagesordnung waren – also über Arbeitnehmer, die aus falsch verstandener Loyalität auch krank zur Arbeit gehen – dürften seit Corona weitgehend vorbei sein.
Heute macht der Begriff der „Schnupfen-Quarantäne“ die Runde: Es ist vorerst nur eine Empfehlung des Bundes und der Länder an Arbeitnehmer, bereits bei leichtesten Erkältungssymptomen zu Hause zu bleiben. Das Kanzleramt wollte daraus gar eine Verpflichtung machen, was den Schluss nahelegt, dass dies immer noch eine Option bleibt.
Am Mittwoch Thema in Bund-Länder-Runde
Isolation zu Hause bereits bei rauem Hals, Hustenreiz oder laufender Nase? Derzeit kann jeder, der solche Symptome oder Atemwegsbeschwerden hat, problemlos beim Arzt eine telefonische Krankschreibung im Sinne des „Vorsorgeprinzips“ erhalten, da es sich bei den üblichen Grippesymptomen ebenfalls um potenzielle Corona-Symptome handelt.
Am kommenden Mittwoch, 25. November, wird es die nächste Bund-Länder-Runde geben. Eine Verlängerung des Lockdowns bis mindestens 20. Dezember gilt jetzt schon als relativ sicher. Konkret sollen Details besprochen werden und dies kann bedeuten, dass es in einzelnen Bereichen zu Verschärfungen der geltenden Regeln kommt. Auch im Bereich der „Schnupfen-Quarantäne“.
Folgekosten der Empfehlung könnten im zweistelligen Milliardenbereich liegen
Überall dort, wo keine Möglichkeit besteht, im Homeoffice zu arbeiten, müssen Unternehmen mit Ausfall von Arbeitskräften rechnen. Zwar gibt die Bundesregierung in ihren Empfehlungen keine eindeutige Vorgabe, wie lange sich Menschen mit Erkältungssyndromen isolieren sollen – Maßgabe sei jedoch, „bis sie gesund sind“.
In einem Beitrag für die „Welt“ kommen Anne Kunz, Laurin Meyer und Philipp Vetter zu dem Schluss, dass bereits das flächendeckende Befolgen der derzeitigen Regierungsempfehlung Mehrbelastungen für Unternehmen und öffentliche Haushalte in Milliardenhöhe nach sich ziehen könnte.
Sie stützen sich dabei unter anderem auf eine Einschätzung des Chefvolkswirts der Commerzbank, Jörg Krämer. Dieser erklärte:
„Je nach Dauer der Erkältungswelle könnte es bei einer ‘Schnupfen-Quarantäne’, gemessen an den Durchschnittslöhnen, zu Einbußen kommen, die sich durchaus im niedrigen zweistelligen Milliarden-Bereich bewegen… Das wäre natürlich eine zusätzliche Belastung für die öffentlichen Haushalte und die Unternehmen.“
Gesundheitsamt würde „Schnupfen-Quarantäne“ kaum überwachen
Allerdings, so relativiert er seine Warnung, sei die zusätzliche Belastung durch die „Schnupfen-Quarantäne“ nicht so groß, dass bestehende Konjunkturprognosen geändert werden müssten. Krämer geht davon aus, dass wegen der angespannten Kapazitäten vonseiten des Gesundheitsamts keine besonders ausgeprägte Bereitschaft bestehen dürfte, die Umsetzung der Quarantäne-Maßnahme zu kontrollieren.
Sollten Mitarbeiter offiziell vom Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt werden, hätten Unternehmer die Möglichkeit, eine Kostenerstattung zu beantragen. Bliebe ein Arbeitnehmer mit Schnupfen zu Hause und könne die Arbeit im Homeoffice erledigen, entstehe der Firma kein Schaden.
Die reguläre Lohnfortzahlung greift im Fall einer Krankschreibung ohne Quarantäne-Anordnung, in diesem Fall bestehe allerdings auch kein Erstattungsanspruch.
Höhepunkt der Erkältungssaison steht erst bevor
Die „Welt“ verweist auf eine Studie des Thinktanks Risklayer, wonach sich derzeit deutschlandweit mehr als 776.000 Menschen in Quarantäne befänden. Dies gehe aus Berechnungen auf der Basis von Daten von Gesundheitsministerien, Landkreisen und dem Robert Koch-Institut (RKI) hervor. Daten des RKI zufolge hätten in der 43. Kalenderwoche insgesamt 1,2 Millionen Menschen in Deutschland wegen akuter Atemwegsbeschwerden einen Arzt aufgesucht.
Insgesamt nimmt das Institut unter Schätzung einer Dunkelziffer an Personen, die trotz Erkältungssymptomen keinen Arzt aufsuchen, an, dass Mitte Oktober zwischen 2,5 und 2,9 Millionen Menschen – was 3,1 bis 3,5 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht – solche aufwiesen.
Statistiken zufolge ist die Anzahl von Erkältungskrankheiten in den Monaten Dezember bis März deutlich höher als im Oktober oder November – mit Höhepunkt im Februar. Die ermittelten Zahlen des RKI könnten demnach in den kommenden Monaten noch weiter ansteigen.
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