Folge von Orbáns „Friedensmission“
Ungarn zum EU-Boykott: Wir werden weiterhin mit allen Mitgliedern zusammenarbeiten
Die diplomatische Initiative von Viktor Orbán in Moskau und Peking stehe nicht im Einklang mit der Position der EU, so die EU-Kommission. Sie wird deshalb die ungarische Ratspräsidentschaft teilweise boykottieren.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán.
Foto: Georg Hochmuth/APA/dpa
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat beschlossen, mit einem Teilboykott auf die „Friedensmission“ von Viktor Orbán zu reagieren.
Die Kommission plant, bei den informellen Ministertreffen unterrepräsentiert zu sein. Auf diese Weise beabsichtigt die EU-Exekutive, ihr Missfallen über die Ukrainepolitik Orbáns zum Ausdruck zu bringen.
Zu Beginn von Ungarns EU-Ratspräsidentschaft Anfang Juli unternahm der ungarische Ministerpräsident eine nicht abgestimmte diplomatische Reise. Das stieß bei vielen EU-Mitgliedsländern der EU auf Ablehnung.
In nur zehn Tagen führte Orbán Gespräche mit den am Konflikt beteiligten Parteien. Er betonte dabei selbst, dass dies nicht in Vertretung der EU geschah, sondern es vielmehr darum ginge, für die EU und die NATO Informationen über eine mögliche Lösung des Konflikts zu sammeln.
Kommissare reisen nicht nach Budapest
Ungarn hat seit Anfang des Monats für ein halbes Jahr turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft inne. Das Land bereitet in dieser Rolle unter anderem Treffen der Fachminister vor. Bei diesen informellen Treffen kommen in der Regel die jeweiligen Ressortchefs aus den 27 EU-Ländern zusammen. Auch der fachlich zuständige EU-Kommissar nimmt für gewöhnlich an dem Treffen teil.
Ursula von der Leyen hat jedoch am Montag, 15. Juli, entschieden, dass die Kommission bei informellen Ratssitzungen in Ungarn nur durch hochrangige Beamte vertreten sein wird, erklärte ihr Sprecher Eric Mamer auf X. Kommissare reisen also nicht mehr nach Budapest. Zudem verzichtet die EU-Kommission auch auf den traditionellen Antrittsbesuch bei der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft, wie ein Sprecher mitteilte.
Die Entscheidungen folgen „den jüngsten Entwicklungen zu Beginn des ungarischen Ratsvorsitzes“, heißt es in der Mitteilung von Mamer. Er geht jedoch nicht näher auf diese ein.
Unter dem Stichwort „Entwicklungen“ war wohl gemeint, dass Orbán im Rahmen seiner „Friedensmission“ kürzlich den russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen hat. Ungarns Premier führte auch Gespräche mit dem ukrainischen, chinesischen, türkischen und US-amerikanischen Präsidenten sowie mit Präsidentschaftskandidat Donald Trump.
Die EU kritisiert, dass Orbán mit seinen Reisen nicht klar die EU-Position zur Ukraine vertreten habe. Er habe diese Auslandsreisen auch nicht mit der EU abgestimmt.
Budapest: Eine „Wahlkampagne“ von Frau von der Leyen
Ungarns Europa-Minister, János Bóka, wies in einem Facebook-Beitrag darauf hin, dass die Kommission eine EU-Institution sei, die von ihren Mitgliedern geschaffen wurde und sich nicht aussuchen könne, mit welchen Mitgliedstaaten oder Institution sie zusammenarbeiten wolle.
Er stellte die Frage: „Werden fortan alle Kommissionsentscheidungen auf politischer Grundlage getroffen?”
Der Politiker betonte, dass der ungarische Ratsvorsitz „weiterhin die Zusammenarbeit mit allen Mitgliedstaaten und Institutionen suchen werde.”
„Wir haben [alle] Mitgliedstaaten und Institutionen zu den Veranstaltungen des Ratsvorsitzes eingeladen, um gemeinsame Antworten auf gemeinsame europäische Herausforderungen zu finden. Dies ist die Aufgabe und Verantwortung aller Mitgliedstaaten und Institutionen“, sagte er.
Orbáns politischer Berater, Balázs Orbán, der nicht mit dem Ministerpräsidenten des Landes verwandt ist, kommentierte die Ankündigung der Kommission mit den Worten:
„Um es klar zu sagen: Ungarn kann nicht zum Schweigen gebracht werden.“
Die stellvertretende Vorsitzende der ungarischen Regierungspartei Fidesz und Mitglied des Europäischen Parlaments, Kinga Gál, bezeichnete auf X den Teilboykott als „Teil des Wahlkampfes“ von Kommissionspräsidentin von der Leyen.
Entscheidung kommt kurz vor Wahl von der Leyens im Europäischen Parlament
Die Entscheidung der EU-Kommission erfolgt in der Tat nur wenige Tage vor der Abstimmung über eine zweite Amtszeit für von der Leyen im Europäischen Parlament. Fraktionen wie Sozialdemokraten, Grüne und Liberale hatten die Präsidentin in der Vergangenheit mehrfach aufgefordert, einen härteren Kurs gegenüber Ungarn einzuschlagen. Auf die Stimmen aus diesen Lagern ist von der Leyen bei der Wahl am Donnerstag angewiesen.
Die Europäische Kommission hat schon früher mehrfach klargemacht, dass Orbán nicht im Namen der Staatengemeinschaft während seiner „Friedensmission“ unterwegs war. Auch aus dem Auswärtigen Amt kam deutliche Kritik. „Das sind ungarische Alleingänge, die wir mit großer Verwunderung und Skepsis zur Kenntnis nehmen“, sagte ein Sprecher in der Bundespressekonferenz in Berlin am vergangenen Freitag.
Orbán spreche auf diesen Reisen ausschließlich für sich selbst – und nicht für die Europäische Union. Zu möglichen Konsequenzen sagte der Sprecher, man müsse sehen, wie die ungarische Ratspräsidentschaft weiterlaufe.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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