
US-freundliche Politik und Zuflucht für Oppositionelle: Nimmt Iran Albanien ins Visier?
In einer Ansprache anlässlich der Ausschaltung des Revolutionsgarden-Generals Qassem Soleimani soll Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Khamenei Verwünschungen gegen Albanien ausgestoßen haben. Dort sind 3000 Kämpfer einer iranischen Oppositionsgruppe beherbergt.

Ajatollah Ali Chamenei.
Foto: Khamenei Official Website/dpa
Bis vor 30 Jahren war Albanien noch das Sinnbild für eine isolierte, verarmte kommunistische Diktatur mit Staatsatheismus und Bunkern an jeder Straßenecke. In den 1990er Jahren stand es für Kriminalität und Anarchie – sinnbildlich dafür das Schicksal eines österreichischen Teams von Journalisten, die 1997 mit Auto, Gepäck und Kameras betraten und es buchstäblich nur noch in Unterhosen verließen.
Heute ist Albanien zwar immer noch Bevölkerungsrückgang und Abwanderung gekennzeichnet, mittlerweile gibt es jedoch ein stabiles Wirtschaftswachstum zwischen drei und vier Prozent. Der Tourismus nimmt an Fahrt auf und als eines der wenigen mehrheitlich muslimischen Länder gewährleistet Albanien die Religionsfreiheit. Seit 2009 ist das Land in der NATO, außenpolitisch gilt es als enger Partner der USA.
Nun könnte das kleine Land am Mittelmeer, das seit dem Ende des Kosovo-Konflikts wieder weitgehend aus den internationalen Schlagzeilen verschwunden ist, unverhofft ins Visier des iranischen Regimes geraten.
Iran wittert MEK hinter Protesten im eigenen Land
Wie „Radio Free Europe/Radio Liberty” unter Berufung auf den „Nationalen Widerstandsrat des Iran“ (NCRI) berichtet, hat das geistliche Oberhaupt des Regimes, Ajatollah Ali Khamenei, in einer Rede anlässlich der Liquidierung des „Revolutionsgarden“-Generals Qassem Soleimani Albanien als „kleines, aber teuflisches Land“ bezeichnet, in dem „Amerikaner mit den Verrätern Irans gegen die Islamische Republik Komplotte schmieden“.
In der offiziell publizierten iranischen Fassung der Rede wird Albanien nicht erwähnt. In der TV-Fassung der Rede vom 8. Januar sprach Khamenei jedoch von einem angeblichen Treffen in den Tagen vor dem Ausbruch von Bürgerprotesten infolge einer Treibstoffrationierung im November des Vorjahres. An diesem hätten „ein Amerikaner und einige Iraner“ teilgenommen – und der NCRI, der die Aussage erwähnt, geht davon aus, dass Khamenei damit auf ein Treffen anspielt, das tatsächlich in Albanien stattgefunden habe und das von den „Volksmodschahedin des Iran“ (MEK) abgehalten worden sei.
Inwieweit die Berichte authentisch sind oder dem NCRI, den viele Beobachter nur als Sprachrohr der MEK sehen, als Mittel zur Self-Promotion dienen sollten, ist ungewiss. Wenige Tage später wies Albanien jedoch zwei iranische Diplomaten aus, weil diese ihren Status zu Aktivitäten missbraucht hätten, die gegen albanische Interessen gerichtet wären.
Humanitäre Geste Tiranas
Dass Teheran infolge der Ausschaltung Soleimanis Vergeltung auf niedriger Schwelle anstreben könnte, hatte man in Washington einkalkuliert. Man verstärkte weltweit den Schutz der diplomatischen Vertretungen, brachte eigene Soldaten vor möglichen Raketenangriffen in Sicherheit und tat auch sonst das Nötige, um eigenes Personal und eigene Interessen nicht in Gefahr zu bringen.
Wo aber Terror gegen Amerikaner dem Regime als zu aussichtslos und bezüglich möglicher Reaktionen als zu gefährlich erscheint, könnten Verbände wie die MEK als Ersatzobjekt herhalten. Seit 2013 leben etwa 3000 Angehörige der umstrittenen Vereinigung in Albanien, nachdem sie unter dem Regime Saddam Husseins im Irak von dort aus die Mullahs in Teheran bekämpft hatten und nach dessen Sturz befürchten mussten, ins Visier proiranischer Milizen zu gelangen.
Die USA hatten den Kämpfern der Gruppe, die bis 2012 noch auf der eigenen Terrorliste stand, nach der Invasion im Irak im Camp Ashraf Zuflucht gewährt. Ein Jahr später erklärte sich Albanien bereit, den Milizionären in der Nähe der Hafenstadt Durrës humanitäres Asyl zu geben. Damit wollte Premierminister Edi Rama, obwohl es ein Risiko darstelle, „die albanische Tradition weiterführen, Verfolgten zu helfen“ – eine Referenz an Juden, die in der Zeit des Zweiten Weltkrieges in Albanien Schutz gewährt bekamen.
Bereits in den Jahren 2018 und 2019 soll es der albanischen Polizei gelungen sein, von den iranischen Revolutionsgarden gesteuerte Stoßtrupps aufzuspüren, deren Aufgabe es gewesen sei, in Albanien Anschläge auf die MEK zu organisieren. Dass die Mitglieder der Vereinigung weltweit im Visier stünden, bestätigt auch deren Berater Behzad Saffari gegenüber der „Deutschen Welle“:
„Wir sind überall auf der Welt vom Terror des iranischen Regimes bedroht. Die iranische Botschaft in Tirana und auch die Botschaften in anderen Hauptstädten Europas sind Zentren der terroristischen Operationen dieses Regimes.“
Warnung vor feindseligen Aktivitäten
Neben direkten Terroranschlägen könnte der Iran auch Cyberangriffe auf albanische Ziele ins Auge fassen, meint auch der albanische Sicherheitsexperte Redion Qiriazi:
„Iran hat in dieser Hinsicht stabile und erprobte Kapazitäten. Diese Angriffe könnten auf albanischem Territorium geführt werden, aber auch in anderen Ländern, in denen albanische Soldaten Teil internationaler Truppen sind, besonders im Mittleren Osten oder Zentralasien.“
US-General Michael Barbero hatte bereits Anfang Januar die Regierung in Tirana vor möglichen Angriffen, Terrorakten und Sabotageaktionen durch das Regime in Teheran gewarnt. Er sagte dem Land Unterstützung durch die USA und die NATO zu, sollte es so weit kommen.
Politisch ist die MEK, die weltanschaulich für eine eigenwillige Mischung aus marxistischer und islamistischer Ideologie steht, seit ihrer Unterstützung für Saddam Hussein auch unter Oppositionellen im Iran isoliert. Sie soll über eine sektenartige Struktur verfügen, den Mitgliedern wird ein strikter Zölibat abverlangt und die Vereinigung soll auch fallweise zu Gewalt bei der Disziplinierung von Abweichlern oder Ausstiegswilligen greifen. Aussteiger wie Masoud Banisadr haben ausführlich über die Praktiken der Gruppe berichtet.
Terroristische Vergangenheit nachgesehen
Allerdings verfügen die MEK über bekannte Fürsprecher in der US-amerikanischen Politik – von Ex-Kongresssprecher Newt Gingrich über den früheren New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani bis hin zum früheren Nationalen Sicherheitsberater John Bolton. Giuliani hatte mehrfach erklärt, die MEK seien eine „legitime Exilregierung“ und sollten Teil einer Übergangsregierung sein, sollte das Regime in Teheran fallen. Auch die Außenminister Hillary Clinton und John Kerry hatten sich in ihrer jeweiligen Amtszeit dafür eingesetzt, den früheren terroristischen Hintergrund der Vereinigung als Ausdruck einer Phase zu erklären, in der ihre heutigen politischen Führer inhaftiert waren und die Leitungsgeschäfte nicht selbst wahrnehmen konnten.
Der US-Sender NBC News verbreitete über die MEK die Theorie, Israel halte eine schützende Hand über die Gruppe, helfe dieser finanziell aus und habe in den Jahren von 2007 bis 2015 im Gegenzug Mitglieder der MEK damit betraut, Wissenschaftler auszuschalten, die am Atomprogramm des Regimes in Teheran mitgewirkt hätten. Substanziierte Beweise für die Theorie konnten jedoch auch die Gewährsleute des Senders nicht anführen.
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