Wagenknecht nach Türkei-Wahl: Rüstungsexporte, EU-Beitrittsverhandlungen und Finanzhilfen stoppen
Nach dem Wahlsieg des türkischen Präsidenten haben führende Linken-Politiker den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefordert.

Sahra Wagenknecht.
Foto: Monika Skolimowska/dpa
Nach dem Wahlsieg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan haben führende Linken-Politiker den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefordert.
„Jetzt müssen Rüstungsexporte, EU-Beitrittsverhandlungen & Finanzhilfen endlich gestoppt werden“, schrieb Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht auf Twitter. Ihre Stellvertreterin Sevim Dagdelen sagte der „Bild“-Zeitung: „Der weitere Beitrittsprozess ist völlig unvertretbar, tritt die europäische Idee und das Recht mit Füßen.“
Auch der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff plädiert nach dem Wahlsieg Erdogans für ein Ende des EU-Beitrittsprozesses für die Türkei. „Die Türkei hat mit dem Verfassungsreferendum und dieser vorgezogenen, undemokratischen Wahl ganz klar signalisiert, dass sie kein Mitglied der Europäischen Union sein will“, sagte Lambsdorff am Montag in Berlin im Namen der FDP-Bundestagsfraktion. Denkbar sei stattdessen ein Grundlagenvertrag für eine weniger enge Form der Partnerschaft.
„Unserer Aufforderung an die Bundesregierung ist, sich im Rat der Europäischen Union jetzt endlich dafür einzusetzen, dass dieser Schritt gegangen wird“, sagte Lambsdorff. „Die Menschen sowohl in Deutschland, als auch in vielen anderen europäischen Ländern erwarten, dass der Beitrittsprozess beendet wird.“
Die Wahl in der Türkei habe unter unfairen Bedingungen stattgefunden, sagte Lambsdorff. So habe die Opposition kaum Zeit für die Vorbereitung auf die vorgezogenen Wahlen gehabt, Präsident Erdogan habe die Medien im Wahlkampf dominiert und die Opposition habe teils aus dem Gefängnis um Stimmen werben müssen.
„Es war ein miserables Ergebnis für Präsident Erdogan und seine AKP. Und es war nicht eine Sternstunde der Demokratie in der Türkei, wie er gesagt hat, sondern im Gegenteil, es war ein Tiefpunkt der demokratischen Entwicklung in der Türkei“, erklärte Lambsdorff.
Die Europäische Union hatte 2005 Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufgenommen. Derzeit liegen sie aber faktisch auf Eis. Es werden keine neuen Verhandlungskapitel mehr geöffnet. Von den 4,45 Milliarden Euro Beitrittshilfen an die Türkei, die für den Zeitraum 2014 bis 2020 vorgesehen sind, ist bisher nur ein kleiner Teil tatsächlich geflossen.
In Deutschland hat Erdogan fast zwei Drittel der Stimmen erhalten und damit deutlich mehr als zu Hause in der Türkei. Nach Auszählung von 100 Prozent der Stimmen kam er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Deutschland auf 64,78 Prozent – bei einem Gesamtergebnis von 52,59 Prozent. Damit ließ er seinen Hauptkonkurrenten Muharrem Ince von der linksliberalen Oppositionspartei CHP mit 21,88 Prozent klar hinter sich.
Bei der Wahl des neuen türkischen Parlaments erhielt Erdogans islamisch-konservative AKP in Deutschland mit 55,69 Prozent sogar die absolute Mehrheit. Ihr Gesamtergebnis lag nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen dagegen nur bei bei 42,56 Prozent. Sie ist damit auf ein Bündnis mit der ultranationalistischen MHP angewiesen.
Erdogan hatte auch schon bei früheren Abstimmungen deutlich mehr Rückhalt bei den Türken in Deutschland als bei denen zu Hause. Bei der Parlamentswahl im November 2015 kam seine AKP in Deutschland auf 59,7 Prozent. Beim Referendum über Erdogans Verfassungsreform stimmten 63,1 Prozent mit Ja. Das oppositionelle Lager der Reformgegner kam in Deutschland damals nur auf 36,9 Prozent.
Bis zum 19. Juni konnten Türken in 13 Wahllokalen in Deutschland abstimmen. Rund die Hälfte der 1 443 585 Wahlberechtigten in Deutschland beteiligten sich an der Abstimmung. (dpa)
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