
Aktivisten bezeichnen Abhöraktion gegen „Letzte Generation“ als „verstörend“
Aufgrund hunderter Straftaten der „Letzten Generation“ hörten Ermittler nach gerichtlicher Verfügung die Telefongespräche der Klimaaktivisten ab. Das löste Empörung bei den Betroffenen aus – und bei einigen Politikern.

Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ blockieren eine Kreuzung. War es rechtens, dass Ermittler die Organisation abhörten?
Foto: Swen Pförtner/dpa
Bayerische Ermittler führten kürzlich eine mutmaßliche Abhöraktion gegen die Klimabewegung „Letzte Generation“ durch. Diese zeigte sich daraufhin empört gegenüber ihren Vertretern und Mitgliedern.
Dass etwa auch private Telefongespräche mitgehört und protokolliert worden seien, sei „verstörend“, erklärte die Sprecherin der Bewegung, Carla Hinrichs, am Samstag, dem 24. Juni. Die Deutsche Polizeigewerkschaft nannte die Telefonüberwachung der „Letzten Generation“ dagegen „rechtlich einwandfrei“.
Möglicherweise betroffen ist die Aktivistin Imke Bludszuweit. Sie nannte es „absurd und erschreckend, welche Geschütze hier aufgefahren werden, um friedlichen Protest zu unterdrücken“.
Die „Letzte Generation“, die wegen ihrer Blockadeaktionen in den vergangenen Monaten zunehmend in die Kritik geraten war, erklärte in einer Mitteilung weiter, ob die Überwachung noch anhalte, sei unklar. Ungeachtet des Vorgehens gegen die Bewegung werde die Gruppe „ihren Protest auch in der nächsten Woche in ganz Deutschland auf die Straße tragen“.
Bartsch: Aktion „völlig unangemessen“
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch nannte die Abhöraktion der bayerischen Generalstaatsanwaltschaft „völlig unangemessen“. Der Vorfall zeige, „dass es falsch ist, dass Staatsanwälte politisch weisungsgebunden sind“, erklärte Bartsch via Twitter.
Sie würden in „einem unanständigen Wahlkampf missbraucht“. Wer „mit unverhältnismäßigen Maßnahmen mit Kanonen auf Spatzen schießt“, verliere junge Menschen für Demokratie und Rechtsstaat, sagte der Fraktionschef laut „Tagesspiegel“.
„Das gesamte Vorgehen wirft Fragen nach der Verhältnismäßigkeit auf“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci dem „Tagesspiegel“ (Sonntagsausgabe). „Die Sorgen vor einer Radikalisierung des Klimaprotests sind ernst zu nehmen.“ Der Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung dürfe „aber keine Einladung zu Vorgehensweisen sein, die die Beschuldigten erst in die Radikalität treiben“.
Polizei: „Niemand steht über dem Gesetz“
„Niemand steht über dem Gesetz, auch die ‚Letzte Generation‘ nicht“, erklärte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. „Strafprozessuale Maßnahmen richten sich nach dem Tatverdacht und der Schwere der Straftaten, die den Verdächtigen vorgeworfen werden. Da dürfen Sympathie für vermeintlich gute Ziele keine Rolle spielen.“
Die Abhörmaßnahmen seien „durch unabhängige Richter genehmigt“ und könnten „jederzeit überprüft werden, auch nachträglich und in Bezug auf ihre Verwertbarkeit“.
Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte am Samstag berichtet, bayerische Ermittlungsbehörden hätten monatelang Telefongespräche von Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ abgehört. Sie hätten auch Genehmigungen eingeholt, um die Standortdaten von Handys zu ermitteln, Mailboxen von Aktivisten abzuhören und deren E-Mails „in Echtzeit“ mitzulesen.
Betroffen war demnach auch ein Festnetzanschluss mit Berliner Vorwahl, den die „Letzte Generation“ als ihr offizielles Pressetelefon ausgibt. Hintergrund ist der Verdacht zur Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Abhöraktionen gegen Journalisten?
Es sei „ein schwerwiegender Vorfall“, wenn die Vermutung unwidersprochen im Raum stehe, dass Polizei und Justiz gezielt Abhöraktionen auch gegen Journalisten angeordnet hätten. Das erklärte der Sprecher der Grünen im Bundestag für Medienpolitik, Erhard Grundl. Dies sei nicht mit der Pressefreiheit zu vereinbaren. „Der bayerische Justizminister und der bayerische Innenminister müssen sich erklären“, forderte Grundl.
Zu dem Vorfall äußerte sich der Journalist Ronen Steinke über Twitter. Er habe in den vergangenen Monaten mit Vertretern der „Letzten Generation“ telefoniert. Jetzt sei klar, dass die Polizei deren Telefone seit Oktober abgehört hatte. Dieses Vorgehen ist in den Augen von Steinke „mehr als nur eine Fußnote. Es ist eine Eskalation.“
Brandenburg: Staatsanwaltschaft ermittelt
Hinter die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neuruppin stellte sich jüngst Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU). Darin geht es um die Prüfung des Anfangsverdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung bei der „Letzten Generation“.
Das Ministerium habe die Verhältnismäßigkeit der Ermittlungen überprüft und entschieden, dass diese Einschätzung der Staatsanwaltschaft vertretbar und nicht zu beanstanden sei. Das sagte Hoffmann Mitte Juni im Rechtsausschuss des Landtags.
Die Aktivisten der „Letzten Generation“ kleben sich regelmäßig auf Straßen fest und blockieren so den Verkehr oder sie beschmieren Kunstwerke, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Nach Angaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wurden der Gruppe Anfang Juni 580 Straftaten seit Anfang 2022 zugeordnet. Dabei sei es vor allem um Nötigungen und Sachbeschädigungen gegangen.
(Mit Material von AFP)
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