
Bundesregierung will „Epidemische Notlage“ verlängern – Lockdown kostete bislang 300 Milliarden Euro
Eine Inzidenz von unter 20 ist das neue Ziel, damit ein unbeschwerter Sommer möglich wird. Die Bundesregierung plant zudem eine weitere Verlängerung der „Epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ über den 30. Juni hinaus.

Im Biergarten "Café am Neuen See" am 21. Mai 2021 in Berlin.
Foto: Maja Hitij/Getty Images
Eine Inzidenz von unter 20 sei das neue Ziel, damit es im Sommer weitreichende Lockerungen der Corona-Regeln geben könne. Diese Zielmarke gab das Gesundheitsministerium vor. In der „Bild am Sonntag“ sagte Minister Jens Spahn: „Im vergangenen Sommer lag sie unter 20. Das sollten wir wieder anstreben. Vorsicht und Umsicht gelten weiterhin“. Erst dann sei ein unbeschwerter Sommer möglich.
Eine dritte Corona-Impfung ist Spahn zufolge „frühestens im Winter der Fall“. Für Kritik an der Aufhebung der Impfpriorisierung ab dem 7. Juni zeigte der Minister wenig Verständnis. „Dieselben, die vor vier Wochen gesagt haben, die Priorisierung sei Impf-Bürokratie und müsse weg, kritisieren jetzt die Aufhebung. Das passt nicht zusammen“, sagte Spahn.
Verlängerung der „Epidemischen Notlage“
SPD und CDU wollen den Ausnahmezustand der Corona-Notlage über den 30. Juni hinaus verlängern, schreibt die „Welt“. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese erklärte dem Medium: „Es ist unstrittig, dass wir die epidemische Notlage noch einmal verlängern. Viele Verordnungen sind daran geknüpft, darunter solche, die die Sicherung der Krankenhauskapazitäten betreffen.”
Durch die Erklärung der „Epidemischen Notlage“ erhält der Bundesgesundheitsminister weitreichende Macht. Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen, Betriebsschließungen und anderes müssten – falls die Notlage nicht verlängert würde – sofort aufgehoben werden. Das halten einige Politiker des Bundestages für verfrüht.
Rudolf Henke, CDU-Gesundheitspolitiker, warnt vor einem Jo-Jo-Effekt, falls man zu früh lockere. Janosch Dahmen, Gesundheitspolitiker von Bündnis 90/Die Grünen, will ebenfalls eine Verlängerung der „Epidemischen Notlage“, da in Deutschland etwa 50 Millionen Menschen ungeimpft seien.
Die FDP-Fraktion fordert hingegen ein Ende der “Notlage“. Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin, erklärte: „Die Zahl der COVID-19-Intensivpatienten sinkt täglich, die Inzidenz der über 60-Jährigen liegt bei 35, und die Zahl der Todesfälle geht zurück. Wenn diese Tendenz weiter so anhält, sind die Kriterien für die epidemische Lage nicht mehr gegeben.”
Politiker diskutieren nun inzwischen darüber, wie lang die Regelung verlängert werden soll. Die SPD sprach von maximal vier Wochen, Henke von drei Monaten. Amtsärzte wollen die Ausrufung der „Epidemischen Notlage“ bis in den späten Herbst verlängern. Bernhard Bornhofen, Sprecher des Fachausschusses Infektionsschutz des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, sagt, dass man erst dann sicher sein könne, dass sich die Lage durch Impfungen entspannt habe. Zudem hätte man Stabilität „für die Zeit nach der Bundestagswahl“, wenn dies jetzt beschlossen würde.
Kosten: 300 Milliarden Euro
Die Coronakrise hat die deutsche Volkswirtschaft fast 300 Milliarden Euro an Wohlstand gekostet. Das ergaben Berechnungen des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für die „Welt am Sonntag“. „Es wird Jahre dauern, bis die Verluste und die strukturellen Verwerfungen ausgeglichen sind“, sagte IW-Chef Michael Hüther der Zeitung.
Die Ökonomen verglichen für ihre Berechnungen das tatsächliche und prognostizierte Wachstum mit dem sogenannten Potenzialwachstum. Dieses sagt aus, wie stark die deutsche Wirtschaft ohne die Pandemie in den vergangenen sechs Quartalen gewachsen wäre.
Davon entfallen auf die vergangenen drei Quartale (Q4 2020 bis Q2 2021) knapp 140 Milliarden Euro. Knapp ein Drittel dieses Wertschöpfungsverlustes seien auf den erneuten Lockdown infolge der zweiten Welle zurückzuführen, der erst jetzt wegen der Impffortschritte und der sinkenden Inzidenzen gelockert werde.
„Die Impfgeschwindigkeit nimmt endlich zu, das ist ein nicht zu unterschätzendes Signal an die Wirtschaft“, sagte IW-Chef Hüther. „Trotzdem dürfen wir nicht der Illusion erliegen, dass die Krise keine Spuren mehr hinterlässt. Ohne Corona wäre die Wirtschaft deutlich gewachsen.” (ks)
(Mit Material von dpa/dts)
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