
„Ein Christ kann ertrinken lassen“? Wirbel um Leserbrief von Pfarrer zur Aufnahme von Bootsmigranten
Der kritische Leserbrief eines evangelischen Pfarrers zu den Aktivitäten seiner Kirche im Bereich der Aufnahme von Bootsmigranten aus dem Mittelmeer sorgt derzeit in Nürnberg für Aufsehen. Dies liegt auch an der Überschrift, von der ungewiss ist, ob sie vom Pfarrer selbst oder der Redaktion stammt.

Die „Sea Watch 4“ sticht aus, um Bootmigranten aus dem Mittelmeer aufzunehmen. Der Großteil des Projekts wird von der Evangelischen Kirche finanziert.
Foto: JOSE JORDAN/STR/AFP via Getty Images
Für heftige Debatten sorgt zurzeit in Bayern ein Leserbrief des evangelischen Pfarrers der Melanchthonkirche Nürnberg, Dr. Matthias Dreher, an das „Korrespondenzblatt“ des „Pfarrer- und Pfarrerinnenverein in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern“.
In seinem auf Seite 199 veröffentlichten Brief in der Oktoberausgabe hatte er sich kritisch zur Aufnahme von Migranten aus dem Mittelmeer geäußert.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) engagiert sich seit einigen Monaten als Institution in diesem Bereich und hat den Großteil des im August gestarteten Einsatzes des Schiffes „Sea Watch 4“ im Mittelmeer finanziert.
Dreyers Leserbrief ist eine Antwort auf einen in der Juliausgabe publizierten Text des Waldenserpfarrers Ulrich Eckert mit dem Titel „Du sollst nicht ertrinken lassen“, in dem das Engagement der EKD im Mittelmeer als „gelebte Gesinnungs- und Verantwortungsethik“ gewürdigt wurde.
Notsituation aus dem Kontext herausgeschnitten
Dreher widerspricht dieser Einschätzung. In seinem Text schreibt er, die Befürworter der Aufnahme von Bootsmigranten aus dem Mittelmeer verfolgten eine „hidden agenda“ (versteckte Agenda) und betreiben mit Blick auf das Thema eine nicht seriöse Form des Framings.
Die Christenpflicht, in Not geratene Menschen zu retten, wird aus dem Gesamtkontext der Notsituation herausgeschnitten und dabei vernachlässigt, dass sich Migranten bewusst und in eigener Entscheidung in diese Gefahrensituation gebracht hätten, so Dreher.
„Über die zu ertrinken gefährdeten Menschen auf See wird paternalistisch gesprochen, als seien sie Pingpong-Bälle auf den Schaumkronen des Mittelmeeres. Dass diese Menschen sich auf seeuntüchtigen Booten mit Sprit für wenige Seemeilen bewusst in Lebensgefahr bringen, wird ebenso ungern eingestanden wie die Tatsache, dass die Seenotretter zwar nicht mit den Schleppern kooperieren, das wäre Verleumdung, aber dass man voneinander weiß und die jeweiligen Seefahrt-Bewegungen aufeinander abstimmt, wie es vielfach dokumentiert und investigativ berichtet wurde“, schreibt Dreher in seinem Aufsatz.
Dreher verweist zudem auf Aussagen des Politologen Egbert Jahn und des Direktors des „Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung“, Dr. Reiner Klingholz, dass es nicht die Ärmsten sind, die sich von Afrika aus auf die Boote begeben, sondern Angehörige der Mittelschicht ihrer Länder, die sich Reise und Schlepper leisten können.
Dass diese einen nachvollziehbaren Wunsch nach einem besseren Leben in Europa haben, verpflichte europäische Christen jedoch nicht, ihnen diesen zu erfüllen – erst recht nicht außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets.
Dreher: „Seenotrettung“ treibt noch mehr Menschen aufs Meer
Nach Auffassung Drehers ist es ethisch vertretbarer, migrationswillige Afrikaner aufzurufen, ein legales Asylverfahren anzustreben, statt das eigene Leben und das der eigenen Familien durch eine Boots-Überfahrt aufs Spiel zu setzen. Die Botschaft müsse lauten:
„Dass ihr weniger Mittel und Chancen habt als wir in Europa, entbindet euch nicht der Verantwortung für euer Leben.“
Im Zuge der Zwei-Reiche-Lehre, die operative Struktur-Politik dem Staat überlassend, könne „ein Christenmensch, soweit er nicht wie der Samariter einen Sterbenden vor sich sieht, Verantwortung vernachlässigende Migranten ertrinken lassen“. Dass so etwas geschehe, sei traurig und ärgerlich und müsse kontinuierlich systemisch verringert werden, es sei aber auch „ein Kennzeichen der gefallenen Welt“.
In seinem Schlusssatz schreibt er: “Nur wer den Bau des Reiches Gottes nicht Gott überlassen kann, sondern es selbst bewerkstelligen muss, wird weiter unverantwortlich mit Rettungsschiffen mehr Migranten aufs Wasser ziehen.”
Überschrift zu Drehers Leserbrief stammt nicht von ihm selbst
Der Leserbrief erschien mit der Überschrift „Ein Christ kann ertrinken lassen“. Mehrere Medien gingen in ihrer Berichterstattung davon aus, dass die Überschrift von Dreher selbst stammt. Dies zog einige Kritik nach sich.
Der Interims-Chefredakteur des „Korrespondenzblattes“ des Pfarrvereins, Martin Ost, hat auf Nachfrage der Epoch Times mitgeteilt, dass die Überschrift tatsächlich von Dr. Dreher selbst stammt. Dies hat eine eigene Nachfrage beim Team ergeben.
Dass sich die Redaktion offenbar veranlasst sah, den Text Drehers für die Leser einzuordnen, lässt sich anhand einer Anmerkung im Anschluss auf Seite 200 erkennen.In dieser weist die Redaktion darauf hin, dass die Aussagen des zitierten emeritierten Politologen Egbert Jahn in der Asylfrage „durchaus umstritten“ sind und die Goethe-Universität in Frankfurt dessen Internetauftritt bereits aus dem Netz genommen hat.
Zudem wird die fachliche Kompetenz von Dr. Reiner Klingholz auf dem Gebiet der Migration in der Anmerkung der Redaktion implizit angezweifelt. Darin heißt es, dass Klingholz nicht (wie von Dreher geschrieben) „Leiter“, sondern nur „freier Mitarbeiter“ des „Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung“ sei, nicht zu verwechseln mit dem „Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung“, und dass er über „makromolekulare DNS-Strukturen“ und damit mit einem sachfremden Thema promoviert habe.
Bedford-Strohm: Behauptung von Pfarrer Dreher ist „widerlegt“
Die „Seebrücke Nürnberg“ wirft Dreher vor, dieser verknüpfe „rassistische mit theologischen Theorien“. Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm erklärt, Drehers Argument fuße auf der Behauptung, die Seenotretter seien der Grund dafür, dass Menschen die Überfahrt über das Mittelmeer riskierten. Diese Behauptung sei jedoch „widerlegt“. Dreher selbst äußerte gegenüber der „Bild“-Zeitung:
„Ich nehme von meinem Text nichts zurück, ich bereue es auch nicht, ihn geschrieben zu haben.“
Die Kirchenleitung will Pfarrer Dreher „nun zu einem Gespräch treffen“, sagte ein Sprecher der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gegenüber dem BR.
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