Schweinehalter André Moritzen im Exklusiv-Interview
In Deutschland bald kein Schweinefleisch mehr? Erboster Bauer: „Hier läuft alles aus dem Ruder“
Im Zuge der Bauernproteste in Berlin spricht Rebecca Sommer mit dem Landwirt André Moritzen über das Opfer, das er auf seinem Hof bringen musste, und über die immer schlimmer werdende Bürokratie in Deutschland.

Landwirt André Moritzen.
Foto: Rebecca Sommer
Rebecca Sommer: André, woher kommst du, was machst du als Bauer, warum bist du hier?
André Moritzen: Ich komme aus Niebüll, an der dänischen Grenze. Ich hatte Sauen im geschlossenen System, Ackerbau und bin jetzt hier nach Berlin zur Demo gekommen, denn langsam läuft alles in der Landwirtschaft aus dem Ruder.
Sommer: Du bist ja schon sehr oft hier bei der Demo gewesen. Was heißt das, dass du geschlossene Sauenhaltung betreibst?
Moritzen: “Sauenhaltung im geschlossenen System” bedeutet Sauenhaltung plus anschließender Mast. Ich hatte alles in einem Kreislauf. Diese Haltung habe ich jetzt aufgeben müssen, weil es in Deutschland keinen Sinn mehr macht Sauen zu halten und zu produzieren. Es geht arbeitswirtschaftlich und tierschutzmäßig nicht mehr und läuft völlig aus dem Ruder. Zumindest läuft es nicht so, wie ich es damals gelernt habe. Daher hab ich aufgehört.
Sommer: Aber das bedeutet, du kaufst die Ferkel jetzt auf, anstatt sie über die Sauen selber zu züchten und dann hast du keine eigenen Ferkel, die du groß ziehst.
Moritzen: Ja, jetzt muss ich notgedrungen Ferkel kaufen. Vorher hatte ich alles selber, da wusste ich, was ich an Genetik hatte und wusste, wie es läuft. Jetzt bin ich auf fremde Herkünfte angewiesen. Die Mast geht jetzt mal so weiter.
Sommer: Rentiert sich das noch?
Moritzen: Man rechnet sich das aus: Wie teuer ist das Ferkel, wie teuer ist das Schrot? Dann müssen wir spekulieren, wenn wir verkaufen, ob der Preis hoch ist oder nicht. Das ist schon ein Risiko. Entweder es geht, oder es geht nicht. Wenn es nicht geht, dann lassen wir es auch.
Sommer: Warum bist du immer hier und protestierst?
Moritzen: Wir können zu diesen Bedingungen, die wir jetzt hier in Deutschland vorfinden, nicht mehr produzieren. Die Bürokratie wird immer schlimmer, immer enormer. Die Ideologie der Grünen, die man versucht hier durchzusetzen, läuft verkehrt.
Sommer: Du kennst viele der Leute und bist schon oft hier gewesen. Du kommst vom hohen Norden an der Grenze und bist bereits mehrfach bis nach Berlin gefahren. Wie empfindest du die Stimmung und wie hast du die Leute erlebt?
Moritzen: Die Stimmung unter den Leuten ist top. Man merkt, sie wollen etwas bewegen, sie versuchen alles. Deswegen bin ich auch hier, trotz langer Anreise. Ich bin einmal mit dem Auto und zweimal mit dem Trecker gefahren. In der Zukunft will ich mir nicht nachsagen lassen, dass ich nicht hier war. Falls mein Sohn mich eines Tages fragen sollte, warum wir nichts unternommen haben, um das Ruder rumzureißen.
Ich kann mir das zeitlich leisten, da ich mit der Sauenhaltung aufgehört habe und mein Vater und meine Frau momentan die Mast machen. Sonst würde das sowieso nicht funktionieren, ich hätte dann überhaupt keine Zeit.
Sommer: Viele aus deiner Umgebung waren auch schon hier. Sie müssen momentan auf den Höfen arbeiten und konnten deswegen nicht kommen. Es ist gerade die Zeit, wo gedüngt und umgepflügt wird. Kannst du das mal kurz erklären?
Moritzen: Ja, so ist es momentan. Die Sonne steigt höher und die Außenwirtschaft beginnt jetzt mit Düngerstreuen und -spritzen, nebenbei halten sie noch Tiere und haben deswegen meist Zeitmangel, um hierherzukommen. Es gibt aber eigentlich genug Landwirte, die schon vor vier Wochen nach Berlin hätten kommen können. Sie haben genug Leute zu Hause. Anscheinend gibt es dann doch zu wenige, die sich in Bewegung gesetzt haben. Sie sind entweder zu bequem oder es geht ihnen noch zu gut.
Zur Autorin: Rebecca Sommer ist eine internationale, seit 2012 in Berlin sesshafte deutsche Menschen- und Völkerrechtsadvokatin. Bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland 2012 engagierte sie sich mit ihrem speziellen beratenden ECOSOC-Status sowohl bei den Vereinten Nationen im New Yorker UN-Hauptquartier in Genf und weltweit für Menschenrechte mit speziellem Fokus auf Indigene Völker und Völkerrecht.
(Bearbeitung: as)
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