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Jurist: „Die neue StVO ist entweder ganz oder zumindest was die Fahrverbote betrifft unwirksam“

Als Schikane für Autofahrer wurde die Ende April in Kraft getretene Novelle zur StVO kritisiert – jetzt könnte sie ein jähes Ende nehmen. Juristen zufolge hat das Ministerium einen kleinen, aber entscheidenden handwerklichen Fehler gemacht.

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Fachanwalt Jens Dötsch von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht erklärt: "Die neue StVO ist entweder ganz oder zumindest was die Fahrverbote betrifft unwirksam."

Foto: GUENTER SCHIFFMANN/AFP/Getty Images

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Lesedauer: 3 Min.

Von „Abzocke“ oder einer „Führerschein-Vernichtungsmaschine“ hatten Kritiker gesprochen, als am 28. April 2020 die von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer veranlasste Novelle zur StVO in Kraft trat. Die Bußgelder für Geschwindigkeitsüberschreitungen, aber auch für Falschparken wurden deutlich erhöht, ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 Stundenkilometern innerorts und 26 km/h auf Freilandstraßen droht sogar einen Monat Fahrverbot.
Nun könnte die Novelle jedoch ein jähes Ende finden: Wie Verkehrsjuristen dem Nachrichtenportal von „T-Online“ anvertrauten, hat das Ministerium einen kleinen, aber möglicherweise entscheidenden technischen Fehler in der Umsetzung der Norm begangen. Dieser könnte die Inhalte der Novelle aber vollständig oder zumindest teilweise nichtig machen.

Zumindest Bestimmungen über Fahrverbote könnten nichtig sein

Fachanwalt Jens Dötsch von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht kommt gegenüber dem T-Online-Portal zu dem Schluss:
„Die neue StVO ist entweder ganz oder zumindest was die Fahrverbote betrifft unwirksam.“
Der Gesetzgeber hatte es, so Dötsch, unterlassen, im Text der Novelle Paragraf 26a Abs.1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) als Ermächtigungsgrundlage für den Verkehrsminister zu nennen, um die Bestimmungen über Fahrverbote zu erlassen. Dies verletze jedoch das einschlägige Zitiergebot des Grundgesetzes.
Das Grundgesetz legt solche Zitiergebote in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 bezogen auf die Einschränkung von Grundrechten durch ein Gesetz oder auf Grundlage eines Gesetzes sowie – was hier einschlägig wäre – in Art. 80 Abs. 1 Satz 3 fest. Danach müssen Rechtsverordnungen, die von der Bundesregierung, einem Bundesminister oder einer Landesregierung erlassen werden, ihre gesetzliche Rechtsgrundlage angeben.

Trotz Bezeichnung als „Ordnung“: StVO ist ein Gesetz und muss dessen Anforderungen genügen

Bereits im Jahr 1999 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass das Fehlen des Verweises auf eine solche Grundlage eine Verordnung nichtig machen kann. Zehn Jahre später hatte dies für den damaligen Minister Peter Ramsauer Konsequenzen, als eine Verordnung zur Gültigkeit alter Verkehrsschilder an diesem Versäumnis scheiterte.
Dötsch zufolge reichte es, um den Fehler zu korrigieren, nicht aus, die Novelle noch einmal in redigierter Fassung kundzumachen:
„Es genügt nicht, die Verordnung nur neu bekanntzumachen, sie muss den gesamten Verfahrensgang durchlaufen, wie bei einer neuen Verordnung auch.“
Da es sich ungeachtet der Bezeichnung „Straßenverkehrsordnung“ bei der StVO nicht um eine Verordnung, sondern ein Bundesgesetz handelt, das den gleichen Weg gehen muss wie jedes andere Gesetz auch, müsste eine nichtige oder teilnichtige Novelle noch einmal durch Bundestag und Bundesrat.

Kritiker müssten Farbe bekennen

In diesem Fall müssten auch Abgeordnete der Regierungskoalition, die erst nach Inkrafttreten der Novelle öffentliche Kritik geübt hatten, Farbe bekennen. Ob die Novelle dann noch einmal in dieser Form durch den Gesetzgebungsprozess kommen würde, ist ungewiss.
Der schnellste Weg, um zu klären, ob die Novelle bestehen bleiben kann, bestünde darin, dass ein Autofahrer, gegen den ein Fahrverbot auf der Basis der neuverfassten StVO verhängt wird, dagegen auf dem Instanzenweg vorgeht – und sich auf Unwirksamkeit infolge der Verletzung des Zitiergebotes beruft.

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