Keine "Werte-Kurse”: Bayerns Verfassungsgericht hebt Integrationsgesetz teilweise auf
Verpflichtende Wertekurse für Erdoğan-Anhänger, die auf Facebook gegen deutsche Politiker poltern? Unzulässig, sagt der Bayerische Verfassungsgerichtshof. Der Gesetzgeber darf Respekt für eine Leitkultur einfordern, aber keine konkrete Gesinnung erzwingen.

Wie gut ist der Erfolg von Integrationskursen in Deutschland? Eine neue Studie gibt Antwort. Foto: iStock
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Eines der letzten Prestigeprojekte der CSU vor dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl im Vorjahr war das bayerische Integrationsgesetz, das im Dezember 2016 gegen die Stimmen aller anderen im Landtag vertretenen Fraktionen – einschließlich der Freien Wähler – verabschiedet wurde. Die AfD hatte zur Landtagswahl 2013 im Freistaat noch nicht kandidiert.
Wie der BR berichtet, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof den Klagen der Landtagsfraktionen von SPD und Grünen teilweise stattgegeben und Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt. Dies betrifft zum einen verpflichtende sogenannte „Werte-Kurse“ für Migranten, die durch „demonstrative Regelverstöße“, „Verunglimpfen“ oder ein bestimmtes Verhalten eine „Ablehnung der Rechts- und Werteordnung zum Ausdruck gebracht“ hätten. In 83 Fällen soll das Innenministerium des Freistaats bis zum vergangenen Sommer solche bereits angeordnet haben.
Integration darf verlangt werden, Gesinnungsdruck jedoch unzulässig
Zum anderen verstoße der Teil des Gesetzes gegen die Landesverfassung, in dem es heißt, der Bayerische Rundfunk sei verpflichtet, einen Beitrag zur Vermittlung der „Leitkultur“ zu leisten. Diese Anordnung greife in die Freiheit der Programmgestaltung des öffentlich-rechtlichen Senders ein, dessen „Staatsferne“ gewahrt bleiben müsse.
Der Verfassungsgerichtshof nahm in diesem Zusammenhang nicht grundsätzlich Anstoß am Gedanken, einer „Leitkultur“ Respekt und Akzeptanz zu verschaffen. Dies sei zulässig, sofern damit abstrakte und appellative Bestimmungen verbunden seien. Auch sei es zulässig, Migranten Anstrengungen zur Integration abzuverlangen.
Grenzen seien allerdings dort zu ziehen, wo subjektive Rechte und Pflichten von der Befolgung des Aufrufs abhingen, sich an die Leitkultur zu halten – das Menschen also unter diesem Banner zu etwas gezwungen werden oder gar ein „erzieherischer“ Aspekt damit verbunden sein soll. Aus diesem Grund beanstandete der Gerichtshof auch die Werte-Kurse als Sanktion für ein Verhalten, das vermeintlich eine Ablehnung der hiesigen Rechts- und Werteordnung zum Ausdruck bringe.
Über Einzelheiten zu den Anlassfällen, in denen solche Kurse angeordnet wurden, geben Landratsämter aus Datenschutzgründen keine Auskunft. Medien wie „O-Netz“ berichteten jedoch beispielsweise über Fälle, in denen eine bestimmte Form der schriftlichen Kritik am Handeln von Behörden durch Ausländer diese dazu veranlasst hätte, den Urheber in einen „Wertekurs“ zu schicken.
Gesetz gegen selbsternannte Scharia-Wächter?
Denkbare Anwendungsfälle wären, so Befürworter der Regelung im Vorfeld des Inkrafttretens der Bestimmung, auch die Teilnahme an Solidaritätskundgebungen für die türkische Regierung oder die Verbreitung radikaler Lehren des Islam, unterhalb der Schwelle strafbarer Äußerungen gewesen. Im Blick hatten die Gesetzgeber augenscheinlich auch Verhaltensweisen, die darauf hinauslaufen, die Einhaltung islamischer Regeln an Schulen sicherzustellen – etwa Mobbing von Mädchen ohne Kopftuch oder Mitschüler, die im Ramadan ihr Pausenbrot verzehren.
Kritiker ging es zu weit, mit bußgeldbewehrten Pflichtkursen dagegen vorzugehen. Sie sahen die Gefahr einer staatlichen „Umerziehung“, wie man sie etwa aus der chinesischen Provinz Xinjiang kennt. Der Gerichtshof teilte diese Bedenken. Die Verpflichtung zur Kursteilnahme ziele, so heißt es in der Entscheidung, nicht vorrangig auf die Vermeidung eines möglichen Fehlverhaltens, sondern auf einen „generellen Gesinnungswandel“. Der Staat sei jedoch nicht befugt, Gesinnungen vorzuschreiben. Die beabsichtigte geistige Einflussnahme, die sich im Gesetzestext äußere, greife „in innerpsychische Vorgänge der Meinungsbildung ein“ sowie in das Recht, seine Meinung frei äußern zu können.
Die obersten bayerischen Verfassungsrichter hoben zudem die Bestimmung im Gesetz auf, in der Bußgelder für Aktivitäten angedroht wurden, die „die bestehende verfassungsmäßige Ordnung durch eine andere Rechtsordnung ersetzen wollen“. Diese verstoße gegen Bundesgesetz, sagte der Verfassungsgerichtshof.
Vermittlung „christlich-abendländischer Kultur“ bleibt zulässig
Wie der BR weiter berichtet, halten es die Richter für zulässig, Kindertagesstätten den Auftrag zu erteilen, „zentrale Elemente der christlich-abendländischen Kultur“ an die Kinder zu vermitteln. Dieser Auftrag beinhalte entgegen der Auffassung der Kläger keine religiöse Unterweisung, sondern die Vermittlung jener Werte und Normen, die „maßgeblich vom Christentum geprägt“ seien, „heute aber zum Gemeingut des abendländischen Kulturkreises gehören und daher unabhängig von ihrer religiösen Fundierung Geltung beanspruchen“.
Florian Ritter von der SPD nannte das Gesetz den Ausdruck eines „Versuchs der CSU, mit AfD-Vokabular Punkte zu machen“. Der bayerische FDP-Fraktionschef Martin Hagen sprach von der „Quittung für ein handwerklich schlecht gemachtes Gesetz“. Eine Leitkultur lasse sich nicht von oben verordnen, so Hagen. „Gleichwohl gilt: Integration bedingt die Akzeptanz unserer Werteordnung. Die Werte des Grundgesetzes müssen Grundlage unseres Zusammenlebens sein.“
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