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Neukölln: Arabische Großhochzeiten stellen Corona-Kontaktnachverfolgung auf die Probe

In Berlin werden Großhochzeiten zu Superspreader-Events. Dort ist die Nachverfolgung der Kontakte besonders schwer. Vier Bezirke Berlins wurden schon zu Risikogebieten erklärt. Bei härteren Maßnahmen würden die übrigen acht die Konsequenzen tragen müssen.

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Am 24. April 2020 bereiten sich medizinische Mitarbeiter darauf vor, geplante Besucher für Rachenabstriche in einer Drive-in- und begehbaren COVID-19-Testeinrichtung im Bezirk Neukölln anzunehmen.

Foto: Sean Gallup/Getty Images

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Lesedauer: 5 Min.

Berlin-Neukölln ist Deutschlands aktuell kritischster Corona-Hotspot. Wie „Focus“ berichtet, haben dazu türkische und arabische Großhochzeiten sowie die feiernde Jugend erheblich beigetragen.
Nach Angaben von Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel waren es fünf Großhochzeiten, „die stattgefunden haben und jetzt den Bezirken in Gänze zu schaffen machen“. Wobei das Problem nicht allein die Ausbreitung von SARS-CoV-2 darstellt, sondern auch die Nachverfolgung der Kontakte.
Hikel geht davon aus, dass pro Person 20 bis 40 Kontakte zu ermitteln seien. Bei einer Veranstaltung mit 40 Infizierten „sind es bis zu 1600 Kontakte, die da mit dranhängen. Das ist eine unheimlich große Zahl“, so der Bezirksbürgermeister.

70 Prozent der Infektionen lassen sich nicht zurückverfolgen

Dr. Nicolai Savaskan, Amtsarzt in Berlin-Neukölln, sieht die Schwierigkeiten ebenfalls bei der Kontaktverfolgung. In etwa 70 Prozent der Infektionen ließen sich die Kontakte nicht mehr zurückverfolgen, sagt Savaskan. „Was wir jetzt schon in Neukölln erleben, sind nur die Vorboten von dem, was wir wahrscheinlich in allen Metropolen des Landes erleben werden. Neukölln ist der Sensor für das ganze Land“, sagte er im Interview mit dem „Tagesspiegel“.
Anfang Oktober wurde von einer Großhochzeit mit 350 Gästen berichtet – 48 wurden positiv getestet. Ein Teilnehmer sagte gegenüber der „Bild“: „Man begrüßte sich mit Küsschen. Keiner trug Masken. Keiner hat uns gesagt, dass wir Abstand halten oder einen Mundschutz tragen sollen. Im Saal waren viel zu wenige Fenster, die offen waren.“ Durch diese Hochzeitfeier standen über 30 Haushalte unter Quarantäne.

Berliner Amtsarzt: Maßnahmen kamen zu spät

Gesundheitsstadtrat Falko Liecke sagte am 6. Oktober zu besagter Großhochzeit in Berlin-Neukölln: „Wir sind hier noch mitten bei der Ermittlung aller Gäste und haben noch nicht alle erreicht.“ Solche Feiern stellten die Gesundheitsämter vor große Probleme. „Ich ärgere mich massiv, dass die Zahlen immer weiter hochgehen und dass dies die Leute nicht interessiert“, so Liecke.
Es gebe auch andere Fälle, wo sich Gäste auf Hochzeitsfeiern angesteckt hätten, etwa in Bielefeld oder Hamm. Amtsarzt Dr. Savaskan sieht aber den Hauptgrund für die derzeit hohe Infektionszahlen in Berlin-Neukölln nicht in diesen Veranstaltungen. „Es gab diese Hochzeiten und die Ausbrüche in Bars, auch die haben zu den steigenden Zahlen beigetragen. Das waren aber relativ einfach handelbare Fälle für uns, weil wir sie eindämmen konnten, in dem Moment, in dem wir sie detektiert hatten“, sagt der Arzt.
Savaskan vertritt die Meinung, dass die Maßnahmen, „das Einführen einer Sperrstunde oder die Verkleinerung von privaten Treffen“, aus infektiologischer Sicht „richtig waren“. Allerdings seien sie zu spät gekommen, die Entscheidungen hätten auf politischer und gesellschaftlicher Ebene nicht mit der Infektionslage Schritt gehalten.

Vier Bezirke sind Risikogebiete – Alle müssen die Konsequenzen teilen

Der Bezirk Neukölln verfügt über einen Ausländeranteil von beinahe 26 Prozent (Stand: Dezember 2019), daher sind große Feiern, Veranstaltungen und Zusammenkünfte privater Natur häufig. Es liegt nahe, die Gründe dafür zu suchen, warum in manchen Bezirken die Anzahl der positiven Tests hoch sind und in manchen nicht.
Serap Güler, Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen, warnte vor einer Verallgemeinerung im Zusammenhang mit türkisch-arabischen Großhochzeiten.
„Ich sage ganz deutlich: Es ist kein ausschließliches Migrantenproblem“, sagte die CDU-Politikerin gegenüber „Focus“. „Dass wir so einen milden Pandemieverlauf haben, führt nicht nur in der Migranten-Community dazu, dass man die Situation nicht mehr so ernst nimmt. Schauen Sie sich die Partyszene in Berlin oder Hamburg an“, so Güler zu „RTL“/„ntv“.
In Berlin sind mittlerweile vier Bezirke als Risikogebiet eingestuft – acht bleiben übrig. Auffällig ist, dass die Risikobezirke alle im Westen der Hauptstadt liegen. Wenn die Stadt strengere Regeln für ganz Berlin entscheiden würde, beträfe dies die zwei Millionen Berliner, die im östlichen Teil leben, daher besonders hart.

Mit Orange sind die Bezirke gekennzeichnet, in denen die positiven Tests über den Grenzwert von 50 auf 100.000 Einwohner pro Woche überschritten haben. Mit Gelb sind die Bezirke gekennzeichnet, in denen die Zahl 50 noch nicht erreicht wurde.

Foto: Epoch Times

„Tagesspiegel“-Autor Stefan Jacobs schrieb in einem Kommentar, dass die Verallgemeinerung der Maßnahmen verheerende Konsequenzen für ganz Berlin haben könnte. Denn die Berliner, die in den acht Bezirken wohnen, in denen die Anzahl der positiven Tests die kritische Marke von 50 pro Woche auf 100.000 Einwohner noch nicht erreicht haben, könnten die Innenbezirke bewusst vermeiden. Sie mit dem Beherbergungsverbot zu bestrafen wäre fatal, weil „dann wirklich alle die saure Suppe auslöffeln müssten, die eine Minderheit ihnen eingebrockt hat“.

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