„Nie wieder Krieg“: Friedensbewegung sieht sich am Neuanfang
Tausende ziehen durch Berlin, um gegen Waffenlieferungen an die Ukraine zu demonstrieren und für Verhandlungen mit Russland. Den größten Beifall bekommt wieder Sahra Wagenknecht.
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Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der linken Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), spricht am 3. Oktober 2024 bei einer Anti-Kriegs-Demonstration in Berlin.
Friedenstauben, Regenbogenfahnen, rote Fahnen der Linken und der DKP, palästinensische Flaggen und Sprechchöre „Free Palestine“: Es war alles dabei am Donnerstagnachmittag bei der Demonstration „Nie wieder Krieg“ an der Berliner Siegessäule.
„Wir sehen heute, die Friedensbewegung lebt“, rief die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch von der Bühne im Tiergarten. Die Veranstalter zählten „weit über 40.000“ Menschen. Die Polizei wollte sich nicht festlegen und sprach von einer „unteren fünfstelligen Zahl“.
„Frieden schaffen ohne Waffen“ stand auf Schildern und „Raus aus der NATO“. „Ihr seid zu Beginn dieser großen neuen Bewegung dabei, die dieses Land hoffentlich friedlicher und friedfertiger machen wird“, sagte Mitorganisator Reiner Braun. Nach eigenen Angaben hat er schon gegen den NATO-Doppelbeschluss von 1979 protestiert.
Bei der Demonstration zu dem das Bündnis „Nie wieder Krieg“ aufgerufen hatte, zogen Tausende von Teilnehmern durch Berlin.
Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Wagenknecht mobilisiert Friedensbewegung
Dazu kamen Politikerinnen und Politiker wie die Ostberlinerin Lötzsch und der frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler, der nach eigenem Bekunden zum ersten Mal auf einer Demonstration der Friedensbewegung sprach. Den größten Beifall bekam hier Parteigründerin Sahra Wagenknecht.
Die BSW-Chefin sprach für den Frieden und für Diplomatie statt Waffen sowohl in der Ukraine als auch im Nahen Osten. Dabei kritisierte sie die Ampel-Koalition, die blind das tue, was irgendwer in Washington vorgebe.
Sahra Wagenknecht (BSW) und Peter Gauweiler (CSU) bei der Friedensdemonstration in Berlin am 3. Oktober 2024.
Foto: RALF HIRSCHBERGER/AFP via Getty Images
Sie nannte den russischen Präsidenten Wladimir Putin einen „Verbrecher“, kritisierte jedoch gleichzeitig auch die „Angriffskriege“ der USA. Auch Wagenknecht formulierte das Hauptziel dieser neuen Bewegung: „Wir müssen diese verdammten Raketen verhindern.“
Gemeint ist die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen ab 2026, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Rande des NATO-Gipfels in Washington im Juli angekündigt hatte. Scholz argumentiert, Deutschland brauche die Waffen zur Abschreckung. Es gebe eine Raketenbedrohung durch Russland. Kritiker halten dagegen, durch die Raketenstützpunkte werde Deutschland zum Angriffsziel. Zudem werde ein neues Wettrüsten eingeleitet.
Viele Teilnehmer der Demonstration in Berlin, zu der das Bündnis „Nie wieder Krieg“ aufgerufen hatte, hatten ihre eigenen Plakate mitgebracht.
Foto: Verena Schmitt-Roschmann/dpa
Stegner ausgepfiffen
Auch Ralf Stegner, Bundestagsabgeordneter der Regierungspartei SPD, sieht die Raketen skeptisch. Auf der Bühne am Großen Stern rund um die Siegessäule tat er sich trotzdem schwer, gegen Pfiffe und Buhrufe durchzudringen. Die begannen, als Stegner vom Selbstverteidigungsrecht der Ukraine sprach und von der Nützlichkeit von Luftabwehr über ukrainischen Städten. „Kriegstreiber“-Rufe waren zu hören. „Aufhören“ und „Blablabla“ lauteten Kommentare aus der Menge.
Damit saß Stegner zwischen allen politischen Stühlen. Denn aus seiner Partei musste er sich ebenfalls Vorwürfe anhören. Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth kritisierte im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, Stegner trage zu einer Verschiebung des Diskurses bei.
„Wir haben uns von der AfD und Sahra Wagenknecht in eine Falle locken lassen. Sie und ihre nationalistisch-populistische Bewegung haben den Friedensbegriff gekapert“, meinte Roth. „Durch die hochemotionale Debatte ist ein gefährliches Vakuum entstanden, in dem die Unterstützer der Ukraine als Kriegstreiber diskreditiert werden.“ Waffenlieferungen seien kein Selbstzweck, sondern sollten der Ukraine helfen, aus einer Position der Stärke an den Verhandlungstisch zu treten, so der SPD-Politiker. Argumente wie diese waren auf der Demonstration jedoch nicht zu hören.
Transparente und Plakate: Bei der Großdemonstration in Berlin forderten viele Teilnehmer, auf Diplomatie und Verhandlungen zu setzen.
Foto: Jörg Carstensen/dpa
(dpa/red)
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