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plus-iconDeutschland: Über 1,6 Millionen Mal verimpft

PEI-Chef: Auffälligkeiten „über dem Schwellenwert des normalen Vorkommens“

Im Interview mit der „Welt“ begründet PEI-Chef Klaus Cichutek seine Empfehlung für einen vorläufigen Impfstopp für das AstraZeneca-Präparat mit Erwägungen der Vorsorge. Ein Zusammenhang zwischen der Impfung und Thrombose-Fällen sei derzeit nicht ausgeschlossen.

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Eine Thromboembolie in einem Blutgefäß (Gerinnselbildung). Foto: iStock

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Lesedauer: 8 Min.

Mehr als 1,6 Millionen Mal wurde für die Corona-Schutzimpfung in Deutschland bislang das Präparat des britisch-schwedischen Unternehmens AstraZeneca verwendet, ehe das Paul-Ehrlich-Institut jüngst ein Aussetzen der Verabreichung empfahl. Dies hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die Lage in den Impfzentren.
Dort, wo bereits Online-Anmeldungen für Personen der zweiten Priorisierungsstufe in Aussicht gestellt worden waren, hatte es geheißen, dass ausschließlich eine Impfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca für Angehörige dieser Gruppe möglich wäre. Termine konnten ab sofort vereinbart werden. Einige Impfungen haben bis dato auch für diese Gruppe bereits stattgefunden.

In Sachsens Impfzentren derzeit nur noch Zweitimpfungen mit BioNTech

Mittlerweile heißt es vonseiten der Impfzentren, man könne „aufgrund der aktuellen Auslastung der Impfzentren und der verfügbaren Impfstoffmenge“ bis auf Weiteres keine Termine mehr anbieten. Es fänden, so heißt es beispielsweise auf dem Serviceportal zur Corona-Impfung in Sachsen, zudem auch nur noch Zweitimpfungen mit dem Präparat von BioNTech statt.
Am Montagnachmittag (15.3.) wurde in Deutschland sowie in einigen anderen Mitgliedstaaten die Impfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca gestoppt. Erst am 29. Januar 2021 hatte das Präparat des britisch-schwedischen Konzerns die EU-weite Zulassung zur Verwendung für die Corona-Impfung erhalten.
In den „Tagesthemen“ erklärte der Chef des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, am Montag, man habe „aufgrund von neuen Untersuchungen, aber auch neuen Meldungen, eine neue Lage“.
Bereits die bis dato veröffentlichten Sicherheitsberichte der Einrichtungen zur Corona-Impfung hatten in der Tendenz erkennen lassen, dass nach der AstraZeneca-Impfung zwar ähnlich selten Unregelmäßigkeiten auftreten, die potenziell als Nebenwirkungen qualifiziert werden könnten, wie bei den anderen zugelassenen Präparaten.
Allerdings waren unter den Verdachtsfällen von Nebenwirkungen des AstraZeneca-Präparats prozentual häufiger schwere Beeinträchtigungen zu beobachten als nach Impfungen mit den Impfstoffen von BioNTech und Moderna.
Mehrere Fälle, in denen es in zeitlicher Nähe zu der Impfung mit dem AstraZeneca-Präparat zu Thrombosen, also Blutgerinnseln gekommen ist, haben nun auch beim PEI die Skepsis gegenüber dem Präparat verstärkt.

Zusammenhang noch nicht nachgewiesen

Von den sieben in Deutschland aufgetretenen Fällen mit Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang zur Impfung verliefen drei tödlich, erklärte Cichutek. Ein Zusammenhang mit der Impfung selbst ist noch nicht nachgewiesen. Für die Regierungen mehrerer EU-Länder reicht die Möglichkeit eines solchen jedoch aus, um die Impfungen mit dem britisch-schwedischen Präparat zu stoppen.
Es handelt sich bei den sehr seltenen Hirnvenenthrombosen oder Sinusvenenthrombosen um Blutgerinnsel im Gehirn. Von dort transportieren große venöse Blutgefäße, die Sinusvenen, sauerstoffarmes Blut in Richtung Herz. Bei einer Verstopfung durch ein Blutgerinnsel ist dieser Blutabfluss gestört. Es kommt zu einem Druckanstieg im Hirn.
Patienten mit einer Hirnvenenthrombose klagen unter anderem über Kopfschmerzen, Sehstörungen oder epileptischen Anfällen. Weitere Symptome können Übelkeit, Erbrechen oder Bewusstseinsstörungen sein.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wies im Zusammenhang mit der Aussetzung der AstraZeneca-Impfungen auf zunehmendes Unwohlsein nach der Impfung, starke und anhaltende Kopfschmerzen oder punktförmige Hautblutungen hin.

Auffälligkeiten „über dem Schwellenwert des normalen Vorkommens“

Eine Ursache für eine Venenthrombose im Gehirn kann eine genetische Veranlagung zur Blutgerinnungsstörung sein. Mögliche weitere auslösende Faktoren sind hormonelle Veränderungen etwa durch die Pille oder durch eine Schwangerschaft, Infektionen im Kopfbereich, etwa im Ohr, aber auch anderer Art, Blut- und Krebserkrankungen sowie medikamentöse Behandlungen. Die Erkrankung ist sehr selten, kann aber tödlich enden.
Im Interview mit der „Welt“ erklärte Cichutek, es habe „Auffälligkeiten, teils mit tödlichem Ausgang“ gegeben. Mehrere Meldungen dieser Art hätten das PEI dazu veranlasst, weitere Analysen vorzunehmen. Diese hätten eine Häufung von Fällen ergeben, die „bei einer bestimmten Anzahl von etwa 1,5 Millionen Impfungen doch über dem Schwellenwert des normalen Vorkommens, der normalen Häufigkeit in der Bevölkerung auch ohne Impfung liegt“.
Nach Rücksprache mit weiteren Experten habe man die Schlussfolgerung gezogen, dass ein Zusammenhang mit dem Impfstoff nicht auszuschließen sei. Bis eine genauere Untersuchung Klarheit brächte, habe man empfohlen, die Impfung mit AstraZeneca auszusetzen. Ein endgültiges Urteil bedeute dies aber noch nicht.

PEI: „Kein Alarmismus, sondern Vorsorge“

Man wolle auch abklären, so Cichutek, ob ähnliche Beobachtungen von Verdachtsfallmeldungen auch im Bereich der übrigen bislang zugelassenen Corona-Impfstoffe vorlägen. Ein konkreter Hinweis auf Handlungsbedarf habe sich jedoch speziell zum AstraZeneca-Wirkstoff ergeben. Eine nähere Datenanalyse habe das PEI zu dem Schritt veranlasst:
„Es handelt sich nicht um Alarmismus, sondern um eine Vorsorge. Denn wir sind verantwortlich dafür, dass diese Impfstoffe unbedenklich sind, auch sehr gute Wirksamkeit haben, was wir gesichert haben wollen.“
Es müsse jederzeit sichergestellt sein, dass der Nutzen der Impfstoffe die Risiken weit überwiege. Die Impfwilligen müssten sich darauf verlassen können, dass der Impfstoff ihnen keinen Schaden zufüge.

Keine grundsätzliche Absage an AstraZeneca-Impfstoff

An der Einschätzung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut (RKI), wonach der AstraZeneca-Impfstoff sowohl für jüngere als auch für ältere Personen grundsätzlich geeignet sei, ändere sich nichts, erklärt der PEI-Leiter. Daten aus kontinentaleuropäischen Ländern und bezüglich des Zielpublikums 55+ aus solchen aus Großbritannien zeigen die Wirksamkeit des Präparats.
Man wolle allerdings maximale Transparenz gewährleisten, „dass die Leute merken: Wir passen sehr genau auf, wir untersuchen selbst die kleinsten Risikosignale“. Es handele sich auch um wenige Fälle, die jetzt die weiteren Untersuchungen veranlasst hätten. In Zahlen ausgedrückt gehe es um „sechs plus eins, also sieben Fälle bei etwa anderthalb Millionen Impfungen“.
Aber bevor wieder grünes Licht für den Impfstoff gegeben werden könne, müsse eruiert werden, ob Nutzen und Risiko in einem angemessenen Verhältnis zueinander stünden oder allenfalls weitere Risikomaßnahmen getroffen werden müssten.

Neurochirurg: „Rauchen, Übergewicht oder Anti-Baby-Pille eher für Thrombose verantwortlich“

Bezüglich allen bereits mit AstraZeneca Geimpften könne man Entwarnung geben, betont Cichutek. Dies gelte insbesondere für jene, bei denen nicht bereits in den ersten vier bis 14 Tagen nach der Erstimpfung Unregelmäßigkeiten aufgetreten seien. Personen, die in dieser Woche die Zweitimpfung erhalten sollten, könnten ebenfalls zuversichtlich sein, diese vielleicht in der kommenden Woche erhalten zu können. Wirksamkeit und Sicherheit der Impfung werde dadurch nicht beeinträchtigt.
In Österreich, wo es keinen Impfstopp für AstraZeneca gibt, hat sich der Vorstand der Universitätsklinik für Neurochirurgie in Linz, Andreas Gruber, gegenüber der „BezirksRundschau“ geäußert. Er hält einen Zusammenhang zwischen dem Verabreichen des Vektorimpfstoffs und Gehirnvenen-Thrombosen für „nicht plausibel“.
Wenn jemand, der etwa durch Rauchen, Fettleibigkeit oder das Einnehmen der Verhütungspille bereits ein hohes Thrombose-Risiko habe, nach der Impfung erschöpft sei, Fieber habe, zu wenig trinke, könne das eine Thrombose nach sich ziehen, erklärte Gruber. Einen Mechanismus, der einen direkten Zusammenhang zwischen dem AstraZeneca-Impfstoff und einer Thrombose nahelegen könne, sei dem Neurochirurgen bis dato jedoch nicht bekannt.
(Mit Material der afp)

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