Rätsel um die Grünen: Sägen sie am eigenen Ast?
Sägen die Grünen am eigenen Ast? Außerhalb Baden-Württembergs hat die Partei in den letzten vier Jahren kaum Wähler hinzugewonnen. Ihre einstigen Ideen sind längst in der Mitte angekommen - welche Chancen haben sie noch?

Grünen-Partei-Logo
Foto: Stefan Sauer/Archiv/dpa
Das Wahlergebnis der Grünen bei den letzten beiden Landtagswahlen konnte nicht unterschiedlicher ausfallen. Während die Partei in Schleswig Holstein fast 13 Prozent holte, verlor sie in NRW 40 Prozent ihrer Wählerstimmen.
Betrachtet man allerdings die Landtagswahlen 2016/17 insgesamt, so lässt sich doch ein größeres Gefälle wahrnehmen. “Das letzte Mal, dass die Grünen außerhalb Baden-Württembergs nennenswert Wähler hinzugewonnen haben, ist mehr als vier Jahre her”, schreibt die FAZ. Bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz verlor die Partei 2016 zwei Drittel ihrer Stimmen.
Das Auf und Ab ist also mehr Ab als Auf analysiert Jürgen Kaube in der Frankfurter Allgemeinen. Seiner Meinung nach wäre es an der Zeit nachzudenken, sofern eine Partei sich freue, dass sie überhaupt noch da sei.
Beliebtheit sei ein politischer Faktor, so Kaube weiter, aber für derlei Aspekte würden sich die Grünen wenig interessieren, was nicht zuletzt ihre Präferenz für Personal dokumentiere. Ihr Temperament und Habitus könne man sich inzwischen in jeder Partei vorstellen und koalieren könnten sie inzwischen mit allen.
Inzwischen sind fast alle Grün
Das wiederum soll nicht heißen, dass Personen alles und Programme nichts seien, so Kaube weiter, „doch das Dilemma, dass sich die Programme in der Mitte ähneln, verschärft sich im Fall der Grünen noch“.
Irgendwie seien inzwischen viele Grün, stellt Kaube fest und findet genügend Beispiele: „Die Energiewende wurde 2011 von Schwarz-Rot-Gelb-Grün vollzogen, der Ausstieg aus der Wehrpflicht von einem CSU-Minister. Die gleichgeschlechtliche Ehe hat, von der SPD ebenfalls gefordert, längst prominente Befürworter in der CDU. Das Aufrollen des Schulsystems von unten, hin zu einem Gymnasium für alle, ist weit über die SPD hinaus zum politischen Gemeingut geworden, was auch für Schlagworte von Geschlechterpolitik über Multikulturalismus bis Nachhaltigkeit zutrifft“.
Die Grünen seien längst in der Mitte angekommen und darauf reagierten sie mit „geschlechter-, ernährungs- oder gesundheitspolitischen Verschärfungen und fixen Ideen. Politikfelder, mit denen die Grünen noch überraschen könnten, gerieten aus dem Blick. Kaube: „Man beißt sich beispielsweise lieber in schulpolitischen Fantasien in gerechter Sprache fest, als auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit oder Rechtspolitik anzugreifen. Wie man überhaupt ungern angreift. Man verteidigt lieber Ideale und was einst ein Erfolgsmodell war, aber allen längst bekannt ist.
Ein Eindruck von politischer Lebendigkeit würde so nicht entstehen.
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