
Tagesspiegel: „Krisenmanagement ‚Made in Brussels‘ ist ein Trauerspiel“
Der Bundestag hat dem Ratifizierungsgesetz zum EU-Wiederaufbaufonds zwar zugestimmt, von den Ankündigungen des Vorjahres, die Corona-Krise zu nutzen, um die Stärke Europas zu demonstrieren, ist allerdings wenig geblieben. Im „Tagesspiegel“ wird Versagen attestiert.

Christine Lagarde (links), Angela Merkel (mitte) und Ursula von der Leyen (rechts). Foto: ARIS OIKONOMOU/AFP via Getty Images
Foto: ARIS OIKONOMOU/AFP via Getty Images
Am Donnerstag, 25. März, hat der Bundestag dem Ratifizierungsgesetz zum EU-Wiederaufbaufonds zugestimmt und so seinen Beitrag dazu geleistet, Brüssel zum Herren über ein 750 Milliarden Euro schweres Sondervermögen zu machen.
Das unter dem Eindruck der Corona-Krise geschnürte Paket würde erstmals auch offiziell eine Vergemeinschaftung von Schulden und Haftung bewirken.
Brüssel verspricht, liefert aber nicht
Für Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel war der gemeinsame Wiederaufbaufonds ein Prestigeprojekt.
Die Corona-Krise sollte auf diesem Wege zu einem Best-Practice-Beispiel für eine effiziente gemeinsame Bewältigung großer Aufgaben werden, dem noch weitere folgen sollten: der Green Deal, die Impfkampagne – und bevor die Pandemie Europa erreicht hatte, war sogar eine mögliche EU-Armee ein Thema.
Im „Tagesspiegel“ hat Christoph von Marschall nun die Frage aufgeworfen, was aus den großen gesamteuropäischen Ambitionen geworden sei, als deren Schrittmacher sich Deutschland und Frankreich präsentieren wollten. Sein Fazit: Brüssel verspricht, aber liefert nicht.
Corona-Krise als Chance ungenutzt gelassen
Anders als langfristige Vorhaben wie Green Deal oder EU-Armee hätte die Corona-Krise als umfassender Praxistest der Staatengemeinschaft und den Befürwortern einer engen politischen Union die Gelegenheit gegeben, unter Beweis zu stellen, dass die EU gemeinsam bessere Lösungen erzielen könne als die Nationalstaaten.
Wie „Bild“ bereits zu Beginn des Jahres berichtet hatte, wurde sogar Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Kanzlerin Angela Merkel zurückgepfiffen, als er im Sommer des Vorjahres gemeinsam mit Amtskollegen aus Frankreich, Italien und den Niederlanden die Impfstoff-Versorgung sicherstellen wollte. Die Aufgabe sollte schon aus symbolischen Gründen eine europäische sein.
Bundesverfassungsgericht könnte Bail-out-Verbot anmahnen
Wie von Marschall betont, ist diese Chance nicht genutzt worden:
„Jetzt hat Europa den Blues. Ob die Wiederaufbauhilfe je kommt und wann, ist ungewiss. Nicht einmal in der Hälfte der EU-Länder haben die Parlamente bisher zugestimmt. In manchen drohen, wie in Polen, Regierungskoalitionen an der Frage zu zerbrechen, ob sie die gemeinsame Haftung für gemeinsame Schulden zulassen.“
In Deutschland müsse auch das Bundesverfassungsgericht klären, ob die Konstruktion nicht gegen das Bail-out-Verbot verstößt.
Möglicherweise könne die Frage der Vergemeinschaftung von Schulden, die bereits 2013 zur Gründung der AfD geführt hatte, neben der ineffizienten Corona-Politik als Wiederaufbauhelfer der Partei fungieren.
Zuletzt hat die Partei ein Drittel ihrer Wähler eingebüßt. Eine aktuelle bundesweite Forsa-Umfrage sieht die AfD mit 12 Prozent schon fast wieder auf dem Niveau der Bundestagswahl 2017.
Der „Tagesspiegel“-Kommentator spart nicht an Kritik in Richtung Merkel und von der Leyen, die sich viel vorgenommen, aber nichts umgesetzt hätten:
„Merkels Plan als Europakanzlerin abzutreten, die zuvor im Tandem mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die EU einen Riesenschritt vorangebracht hat, ist Makulatur. Die beiden deutschen Alphafrauen tragen Mitverantwortung dafür, dass die EU Aufgaben an sich zog, aber nicht liefert.“
Stattdessen hätten Länder wie Großbritannien oder die USA unter Donald Trump, über deren angebliches Versagen in der EU viel gespottet wurde, jeweils ein Vielfaches des Tempos beim Impfen vorgelegt, was die EU-Länder bis dato bewerkstelligt hätten.
Politik der EU versagt – aber Binnenmarkt rettet den Tag
Von Marschall sieht die EU, die zumindest wirtschaftlich noch in der Größenordnung der USA und Chinas einzuordnen sei, gegenüber beiden an Terrain verlieren. Das KP-Regime in Peking sei beim wirtschaftlichen Wiederaufbau erfolgreicher, lege aber auf das Impfen weniger Wert, die USA seien der EU in beiden Bereichen voraus.
In Deutschland müssten sich Befürworter einer zentralistischen EU – und hier gebe es deutlich mehr davon als in Nachbarländern – Fragen gefallen lassen, wo tatsächlich der Mehrwert in der ihnen explizit wichtigen Übertragung politischer Befugnisse vom Nationalstaat an die EU liege.
Immerhin seien gerade jene Deutschen, die nach politischer Macht für die EU riefen, häufig dieselben, die dem wirtschaftlichen Aspekt des Binnenmarktes weniger Bedeutung beimäßen. Dabei sei dieser es, der sich tatsächlich bewährt habe:
„Ihm hat es Deutschland zu verdanken, dass es ökonomisch glimpflich durch die Krise kam, voran der engen Verflechtung mit Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Die vier haben mehr Anteil am deutschen Erfolg als China. Das Krisenmanagement ‚Made in Brussels‘ ist hingegen ein Trauerspiel.“
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