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Analyse

AfD verlor fast alle Direktmandate

Sachsen-Anhalt: Triumph für Haseloff - Grüne könnten aus Regierung fliegen

Mit fast 37 Prozent der Stimmen kann die CDU unter Ministerpräsident Reiner Haseloff deutliche Zugewinne verbuchen und die AfD auf Distanz halten. SPD, Linke und Grüne kommen zusammen auf weniger als 30 Prozent. Der Einzug der FDP eröffnet der Union neue Optionen.

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Reiner Haseloff.

Foto: Jens Schlueter/Getty Images

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Lesedauer: 7 Min.

Mit einem noch deutlich höheren Ergebnis als von allen Umfragen prognostiziert hat die CDU unter Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt für sich entschieden. Nach Auszählungsstand vom Sonntag (6.6.) um 22.16 kommen die Christdemokraten auf 36,8 Prozent, was gegenüber dem Ergebnis von 2016 ein Plus von 7,0 Prozent entspricht. Auf Platz zwei bleibt die AfD, die auf 21,4 Prozent und damit ein leichtes Minus von 2,9 Prozent kam.
Während SPD (8,3) und Linke (11,0) Verluste von 2,4 bzw. 5,4 Prozent erleiden, können die Grünen nur leicht zulegen und bleiben mit 5,9 Prozent hinter der FDP, die mit 6,4 Prozent erstmals seit 2006 wieder in den Landtag einzieht. Die Freien Wähler können nicht an ihren Überraschungserfolg von Rheinland-Pfalz anknüpfen und bleiben mit 3,1 Prozent deutlich unter der Sperrklausel. Damit sinken auch die Chancen, sich im Herbst bundesweit zu etablieren.

Haseloff will nicht mit Blick auf Bundespolitik taktieren

Für die künftige Landesregierung bedeutet das, dass Ministerpräsident Haseloff zusätzliche Optionen in der Hand hat. Zwar hat er jedwede Form einer Koalition oder Tolerierung durch die AfD oder die Linkspartei ausgeschlossen. Mit der FDP hat er jedoch künftig einen Wunschpartner zur Verfügung. Zudem kann er auf einen seiner bisherigen „Kenia“-Koalitionspartner, also entweder auf die SPD oder die Grünen, verzichten.
Haseloff, der in ersten Reaktion seiner Freude über das Ergebnis Ausdruck gab und versprach, dem Vertrauen gerecht zu werden, kündigte gegenüber dem „ZDF“ an, es werde „ergebnisoffen und fair sondiert“, was die künftige Regierung anbelangt. „Dann wird wirklich in aller Sachlichkeit nur geschaut, was ist für das Land gut.“ Taktische Überlegungen mit Blick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen sollen keine Rolle spielen.

Merz: „CDU kann noch Wahlen gewinnen“

Im ersten Interview mit dem ZDF am Wahlabend bewertete CDU-Finanzexperte Friedrich Merz, das Ergebnis als Zeichen dafür, dass „die CDU noch Wahlen gewinnen kann“. Ministerpräsident Haseloff sei ein „überragendes Vertrauen“ ausgesprochen worden. Zudem sei das Resultat auch eine „Bestätigung für Armin Laschet“, der in den Wochen vor der Wahl mehrere Wahlkampfauftritte mit Haseloff absolviert hatte. Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen trat in Sachsen-Anhalt nicht auf.
Der CDU gelang es der ARD-Wählerstromanalyse zufolge, von allen anderen Parteien netto Wähler zu sich zu holen – während es nur 1.000 von den Grünen waren, wechselten 11.000 ehemalige AfD-Wähler, 13.000 von der Linkspartei und 15.000 von der SPD zur Union. Einige davon offenbar auch, um einen ersten Platz der AfD zu verhindern, den Umfragen im Vorfeld der Wahlen für möglich gehalten hatten. Der Union gelang aber auch, was zuvor hauptsächlich der AfD gelungen war, nämlich ehemalige Nichtwähler zu mobilisieren: Aus deren Lager strömten 35.000 zur CDU.

AfD verlor fast alle Direktmandate

Die AfD hat sich trotz der leichten Verluste auf hohem Niveau als zweitstärkste Kraft in Sachsen-Anhalt stabilisiert. Spitzenkandidat Oliver Kirchner erklärte, er sei „froh“ über das Ergebnis. Die AfD sei „Volkspartei“ in Sachsen-Anhalt, „andere sind es nicht mehr“. Besonders zufrieden sei er, weil es der Partei gelungen sei, „Wähler von der Linken“ aus dem Arbeitermilieu zurückzuholen.
Dennoch musste die AfD auch Wähler abgeben – vor allem an die CDU, allerdings auch 4.000 an die FDP und 2.000 sogar an die SPD. Auch büßte die AfD die meisten ihrer Direktmandate von 2016 ein. Lediglich im Süden des Landes ging Zeitz an die Rechtspartei, in Weißenfels gab es bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Prestigeträchtige Stimmkreise wie Magdeburg-Nord, Bernburg, Staßfurt, Bitterfeld-Wolfen oder Querfurt wanderten hingegen zum Teil mit deutlichen Verschiebungen zurück an die CDU.

Corona-Politik der Landesregierung in Sachsen-Anhalt als angemessen empfunden

Am häufigsten wurden Asyl und Einwanderung sowie die Vertretung ostdeutscher Interessen von den Wählern als Gründe genannt, AfD zu wählen. Demgegenüber sagten nur 16 Prozent, die Corona-Politik habe die Wahlentscheidung für die AfD am stärksten beeinflusst. Unter den FDP-Wählern traf dies auf 12 Prozent zu. Von der Mehrheit der Bürger (56 Prozent) in Sachsen-Anhalt wurde das Corona-Krisenmanagement der Landesregierung als angemessen empfunden – anders als das des Bundes, das von 62 Prozent als unzureichend beurteilt wurde.
Die FDP konnte vor allem Wähler für sich gewinnen, die im Lockdown eine Gefahr für die Wirtschaft und die Bürgerrechte sahen, aber gleichzeitig nicht sämtliche anderen Pandemie-Maßnahmen oder die Impfkampagne geschlossen ablehnten. Die AfD konnte demgegenüber nicht alle grundsätzlichen Maßnahmen- und Impfgegner hinter sich vereinen: So kam die Partei „dieBasis“ bei ihrem ersten Antreten auf 1,5 Prozent, WiR2020 erreichte 0,2 Prozent.
Immerhin gab es für die AfD jedoch auch einen besonderen Grund zur Freude. Mit 20 Prozent wurde die Partei bei den Unter-30-Jährigen stärkste Partei vor Grünen und FDP mit jeweils 13. Die Einschätzung des Ostbeauftragten der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, dass Sozialisation in der DDR-Diktatur die Wahl der AfD begünstige, zeigte sich auf diese Weise als nicht stimmig.

„Klimaschutz“ von Bürgern nicht als wichtiges Thema gesehen

Linkspartei, SPD und Grüne blieben in Sachsen-Anhalt deutlich unter ihren Erwartungen. Die Linke verlor knapp ein Drittel ihrer Wähler und blieb nur noch knapp im zweistelligen Bereich, die SPD stürzte von ihrem ohnehin schon schlechten Ergebnis von 2016 weiter ab in die Einstelligkeit.
Die Grünen, die im Bund einen Anspruch auf den Kanzlerposten erheben, legten nur unwesentlich zu und kamen auf etwa sechs Prozent. Ohne die kreisfreien Städte Magdeburg, Halle an der Saale und Dessau-Roßlau wären die Ökosozialisten deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde gelandet.
Inwieweit die jüngsten Debatten über Ungenauigkeiten im Lebenslauf von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und deren Forderungen nach einer weiteren deutlichen Erhöhung des Benzinpreises bereits in das Ergebnis eingepreist waren, ist ungewiss.
Eine Tendenz offenbarte jedoch bereits die ARD-Analyse: 75 Prozent der Wähler in Sachsen-Anhalt erklärten Umfragen zufolge, dass es in Sachsen-Anhalt wichtigere Themen als den „Klimaschutz“ gebe. Und während Umwelt und Klima für 62 Prozent der Grünen-Wähler den wichtigsten Themenkomplex darstellte, waren es insgesamt bei allen Wählern im Bundesland nur acht Prozent.

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