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„War da nicht mehr aktiv“

Frank Ullrich über Namensnennung in DDR-Doping-Bericht verwundert

Was ist dran an den Vorwürfen der Beteiligung des ehemaligen DDR-Spitzensportlers und Ex-DDR-Nationaltrainers Frank Ullrich am Zwangsdoping im DDR-Spitzensport? Der heutige Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestags bestreitet seine Beteiligung am Dopingsystem des SED-Staates.

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Bundestrainer Frank Ullrich.

Foto: ALEXANDER NEMENOV/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 7 Min.

Der ehemalige NVA-Sportoffizier, DDR-Spitzensportler, Olympiasieger von Lake Placid 1980 und mehrfache Weltmeister Frank Ullrich ist in die Schlagzeilen gekommen. Der Ex-Biathlet ist heute SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Sportausschusses des Deutschen Bundestags. Jahrzehntelange Vorwürfe von ehemaligen DDR-Athleten gegenüber Ullrich, am DDR-Staatsdoping beteiligt gewesen zu sein, wurden von Ullrich bisher bestritten.
Nun sind neue Indizien in Form von Stasiunterlagen aufgetaucht, die eine mögliche Beteiligung des SPD-Politikers am sozialistischen Dopingsystem der DDR nahelegen.

Rücktritt vom Sportausschussvorsitz?

Der „Tagesspiegel“  kommentiert den Fall, Ullrichs Benennung zum „ranghöchsten sportpolitischen Vertreter des Deutschen Bundestages“ sei der Beginn eines „peinlichen Fauxpas“. Es stelle sich die Frage, wie es der SPD-Politiker „trotz dieser Vorgeschichte nach ganz weit oben in die bundesdeutsche Sportpolitik geschafft hat“. Das Blatt geht von einem möglichen Rücktritt Ullrichs aus.
Wie „FAZ“ berichtet, hat Ullrich mittlerweile sein Amt bei der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) ruhen lassen, nachdem Stasi-Unterlagen den Doping-Vorwurf gestützt hatten. Der Zeitung gegenüber hatte Ullrich bereits zu den Dokumenten Stellung bezogen und bekräftigt, dass er weder als aktiver Sportler noch als Trainer wissentlich Berührung mit Dopingmitteln gehabt habe.

Ullrich über Namensnennung verwundert

Den Stasidokumenten nach hatte Hans-Joachim Kämpfe, Verbandsarzt des Deutschen Skiläufer-Verbands der DDR (DSLV), 1984 noch gegenüber der DDR-Staatssicherheit (Stasi) seine Doping-„Kurzeinschätzung“ für den Testosteronstoff Oral-Turinabol (OT) für die Olympischen Winterspiele von Sarajewo 1984 gegeben.
Darin heißt es: „Im Biathlon wurde die Beeinflussung mit OT nach den in den vorhergehenden Jahren bewährten Prinzipien geplant und realisiert“, so Kämpfe. Damals war Ullrich aktiver Sportler und Olympionike. Er führte die DDR-Mannschaft als Fahnenträger zur Eröffnungsfeier in Sarajevo an.
Im Juli 1985 berichtete der DDR-Verbandsarzt in einem Doping-Konzept für das Trainingsjahr 1985/86 für 21 Biathleten der Kaderkreise 1 und 2 in vier Zyklen von Oktober 1985 bis Januar 1986 mit je insgesamt 450 Milligramm Oral-Turinabol. Auf dieser Liste war der Zeitung nach auch der damals 27-jährige Frank Ullrich aufgeführt.
Frank Ullrich sagte zu den Vorwürfen, er sei Teil eines sportlichen Systems gewesen, das für die Sportler mitunter schwer zu durchschauen gewesen sei. „Die Stasi-Akte des Verbandsarztes, der für mich verantwortlich war, zeigt dies.“
„Was meinen Namen speziell auf der Liste angeht, war ich dann doch überrascht“, erklärte Frank Ullrich der „FAZ“ auf Anfrage. Zum einen habe er seines Wissens nie Oral-Turinabol eingenommen, zum anderen, weil sich die Doping-Angaben auf die Saison 85/86 bezogen hätten. In diesem Zeitraum sei er jedoch „kein aktiver Sportler“ mehr gewesen.

Bandscheiben-OP und ein Todesfall

Erklärend fügte der ehemalige Spitzensportler hinzu, dass er im Spätsommer 1985 eine Bandscheibenoperation gehabt habe und danach offiziell seine aktive Sportlerkarriere beendet habe. „Bereits in der Saison 84/85 hatte ich aus persönlichen Gründen sehr selten und individuell trainiert und nur an zwei Läufen teilgenommen.“
Zuvor bereits hatte Frank Ullrich mit der Gnadenlosigkeit des Sportsystems im SED-Staat Bekanntschaft gemacht, was für den Vorzeigesportler ein einschneidendes Erlebnis war. In einem Interview fragte das „Hamburger Abendblatt“ Ullrich nach dem Grund der frühen Beendigung seiner Biathlon-Karriere und erfuhr ein trauriges Detail.
„Mir starb 1982 meine Frau, das war der härteste Schlag für mich.“ Ullrich hatte zuvor mit seinem „Sportchef“ Manfred Ewald gesprochen, Präsident des Deutschen Turn- und Sportbundes und Mitglied im Zentralkomitee der SED. Er hatte gefragt, ob er vom Trainingslager fernbleiben dürfte, „weil meine Frau im Sterbebett liege“. Doch Ewald habe nur gesagt, „dass seine Frau ja auch mal krank sei und dass das nicht ginge“.
Frank Ullrich: „Dann starb sie, und ich bin zusammengebrochen. Ich konnte ihr nicht mehr helfen und habe mir wahnsinnige Vorwürfe gemacht. Damals habe ich den Glauben an das sportliche System verloren und gesagt: Ich höre auf.“

2009-Ausschuss: „Verdrängungsmechanismus“

Seitdem Ullrich Sportausschussvorsitzender im Bundestag ist, haben die Vorwürfe ein neues Gewicht bekommen, wie ein entsprechender Bericht der ARD-„Tagesschau“ vom Dezember 2021 zeigt. Dabei erinnert das Format unter anderem auch an eine Untersuchungskommission des Deutschen Skiverbandes im Jahr 2009.
Diese kam zu dem Schluss, dass Ullrich von der Verabreichung der sogenannten „Blauen Pillen“ gewusst haben musste und dass es sich um etwas „Verbotenes“ gehandelt habe. Wenn Ullrich also behaupte, dass er davon ausgegangen sei, dass es sich lediglich um trainingsunterstützende Mittel im legalen Bereich gehandelt hätte, so sei dies ein „unbewusst gesteuerter Verdrängungsmechanismus“, so die Kommission laut „Tagesschau“-Angaben.

Die Geschichte um Wahlkreis 196

Frank Ullrich wurde im politischen Sinne in den überregionalen Medien eigentlich erst im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 bekannt, weil er im südthüringischen Wahlkreis 196 angetreten war und diesen schließlich knapp gewinnen konnte. Sein aussichtsreicher Gegenkandidat: der ehemalige Bundesverfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen (CDU).
Die Bundespartei der Grünen versuchte damals eine „Einheitsfront“ im Wahlkreis 196 gegen den CDU-Politiker zu bilden. Der damalige Bundesgeschäftsführer und Generalsekretär der Grünen, Michael Kellner, seit Dezember 2021 auch Parlamentarischer Staatssekretär bei Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck, schmiedete einen Plan, um den demokratischen Wahlprozess zugunsten des SPD-Kandidaten – Frank Ullrich – zu beeinflussen.
Dazu sollten die grünen und linken Kandidaten sowie Wähler, Ullrich unterstützen. Ullrich selbst hatte damit offenbar nichts zu tun, profitierte jedoch wahrscheinlich von der Wahlbeeinflussung. Ullrich kam auf 33,6 Prozent der Stimmen, Maaßen auf 22,3 Prozent, die Kandidaten der Grünen (2,1 Prozent) und Linken (8,4 Prozent) schnitten schwach ab. Die Grünen-Kandidatin konnte vom damaligen Hype ihrer Partei nicht profitieren und die Linken hatten fast zehn Prozent weniger als noch bei der Wahl 2017 (18,2 Prozent).
Maaßen damals: Es gebe „einige Leute, die nicht möchten, dass ich in den Bundestag komme“. Er sei nur ein Kandidat in einem der 299 Wahlkreise. Medien und Politik beschäftigten sich aber sehr intensiv mit ihm, „als würde das Ergebnis der Wahlen davon abhängen.“

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