Gedächtnisverlust, Veränderungen in der Kommunikation und Verwirrung sind Anzeichen und Symptome von neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz.
Laut einer
neuen Studie, die in der Fachzeitschrift „Nature“ erschien, könnte Zellstress für die Abnahme von Gehirnzellen verantwortlich sein. Wenn man diese Stressreaktion ausschaltet, könnte man Gehirnzellen retten, die von früh einsetzender Demenz betroffen sind. Dies sei ein vielversprechender neuer Weg zur Bekämpfung degenerativer Hirnerkrankungen.
Derzeitige Behandlungen konzentrieren sich auf Proteinablagerungen im Gehirn
Es ist bekannt, dass sich neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer durch eine abnorme Anhäufung von zwei Schlüsselproteinen,
Amyloid und Tau, im Gehirn äußern. Laut der
gängigen Meinung führen diese Verklumpungen, die sogenannten Aggregate, dazu, dass die Gehirnzellen weniger gut funktionieren und schließlich absterben.
Deswegen konzentrieren sich die Behandlungen auf die Auflösung und Beseitigung der angesammelten Aggregate. Das verlangsamt zwar das Fortschreiten der Erkrankungen, kann die Degeneration der Gehirnzellen allerdings nicht aufhalten. Deshalb gelten neurodegenerative Erkrankungen momentan
als nicht heilbar.
Dauerhafte Stressreaktion tötet Gehirnzellen
Die Autoren der aktuellen Studie der University of California-Berkeley (UC Berkeley) fanden jedoch heraus, dass einige dieser degenerativen Zustände durch die Stressreaktion der Gehirnzellen und nicht durch Proteinaggregate entstehen.
„Wir haben festgestellt fest, dass es trotz dieser Korrelation keinen eindeutigen ursächlichen Zusammenhang zwischen einem Proteinaggregat und dem Absterben von Nervenzellen gibt“, erklärte der leitende Forscher Michael Rapé gegenüber Epoch Times. Er ist Professor und Leiter der Abteilung für Molekulare Therapeutika an der UC Berkeley.
Im Rahmen der Studie untersuchten die Forscher, wie diese Zellen absterben. Dabei fanden sie heraus, dass die Unfähigkeit des Körpers, die Stressreaktion der Nervenzellen abzuschalten, zum Absterben der Gehirnzellen führt.
Denn um kognitiv fit zu bleiben, sendet das Gehirn regelmäßig ein Signal an die Aufräumer-Mannschaft im Zentralen Nervensystems aus. Diese besteht hauptsächlich aus
Mikroglia – Fresszellen, die Krankheitserreger, abgestorbene Zellen und Proteinablagerungen verschlingen. Nach jeder Putzaktion schaltet sich das Stresssignal ab.
Rapé erklärte diesen Mechanismus mit einer einfachen Analogie: Man muss nicht nur sein Zimmer aufräumen, sondern auch das Licht ausmachen, bevor man ins Bett geht. Wenn das Licht eingeschaltet bleibt, kann man nicht einschlafen.
Doch wenn dieser Mechanismus nicht richtig funktioniert, häufen sich die Proteine weiter an und lösen eine ununterbrochene Stressreaktion aus. Bei Menschen, deren Stressreaktion aktiviert bleibt – so als ob das Licht Nacht für Nacht an bleibt – sterben die Zellen ab.
Das bedeutet, dass Aggregate die Zellen nicht direkt töten. Folglich könnten neurodegenerative Erkrankungen auch mit einem Hemmstoff behandelt werden, der die Stressreaktion ausschaltet, so Rapé.
Das Mindern von Stress rettet Zellen
Um das zu testen, verabreichte das Forscherteam einen Wirkstoff, der die Stressreaktion erfolgreich ausschaltete. Dadurch konnten die Forscher Zellen retten, die von früh einsetzender Demenz betroffene Zellen nachahmten.
Die Studienautoren fanden auch heraus, dass die therapeutischen Medikamente wirkten, ohne die Proteinverklumpungen aufzulösen. Diese Erkenntnis deutet darauf hin, dass die eigentliche Gefahr dieser Aggregate darin besteht, dass sie den zellulären Stress aufrechterhalten.
Rapé zufolge ändern die Erkenntnisse aus der Studie die Art und Weise, wie wir über die Behandlung neurodegenerativer Krankheiten denken. Denn man bräuchte nicht mehr den Schwerpunkt daraufzulegen, große Aggregate vollständig aufzulösen.
Demnach wäre „der beste Weg zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen eine Kombinationstherapie, die die Aggregate in Schach hält und gleichzeitig die Stressreaktionssignale unterdrückt“, so der Forscher.
Ferner verweist die Studie auch auf andere neurodegenerative Erkrankungen wie das
Mohr-Tranebjærg-Syndrom und das
Leigh-Syndrom. Diese zeigen eine ähnliche überaktive Stressreaktion und ähnliche Symptome wie eine früh einsetzende Demenz.
Des Weiteren könnte der Studie zufolge dieser Mechanismus auch für Krankheiten von Bedeutung sein, bei denen es zu einer weitverbreiteten Proteinaggregation kommt. Dazu gehören unter anderem Alzheimer im Spätstadium und die
frontotemporale Demenz. Weitere Forschung ist allerdings nötig, um zu untersuchen, welche Wirkung die Unterdrückung von Stresssignalen bei diesen Erkrankungen hat.
Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.