
Unstatistik des Monats: Booster-Impfung nur „ein kleiner Boost“
Eine Booster-Impfung gegen Covid-19 führt keineswegs zur „zehnfachen Schutzwirkung“, wie unter anderem von Karl Lauterbach auf Facebook verkündet. Sie ist viel mehr „ein kleiner Boost“, schreiben die Autoren der Unstatistik. Ein sehr kleiner, genauer gesagt: um +0,16 Prozentpunkte.

Impfung.
Foto: iStock
Im September wurde in den sozialen Medien eine im „New England Journal of Medicine“ (NEJM) veröffentlichte Studie zur Wirksamkeit einer dritten, sogenannten Booster-Impfung diskutiert. Dazu wertete man Daten von mehr als einer Million Beobachtungen von Personen im Alter 60+ in Israel aus, die eine dritte Dosis des Pfizer-BioNTech-Impfstoffs gegen COVID-19 erhalten haben.
Dr. Eric Topol, Professor für Genetik und mit über 1.200 eigenen Veröffentlichungen einer der zehn meistzitierten Wissenschaftler im Bereich der Medizin, veröffentlichte auf Twitter Daten aus der NEJM-Studie:
Demnach könnte man meinen, dass der zusätzliche Schutz der dritten Impfung ein Zehnfaches des schon bestehenden Schutzes sei. – Hier liegt jedoch ein Klassiker der Fehlinterpretation von relativen Risiken vor, schreiben die Autoren des RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Jeden Monat veröffentlichen Sie eine Unstatistik zu aktuellen Themen.
Grundkurs (Un-)Statistik: Personentage sind nicht Personen
Was haben die Autoren der Studie aus Israel nun genau gefunden? Das relative Risiko sich zu infizieren, gemessen in „Fällen pro Personentagen unter Risiko“, hat sich laut Studie – im Internet kursiert eine Tabelle mit abweichenden Daten –, um etwa Faktor 11 und das relative Risiko schwer zu erkranken sogar um den Faktor 20 verringert. Grob gerundet heißt das auf Grundlage der veröffentlichten Daten:
- Mit zwei Impfdosen lag das Risiko einer Infektion bei rund 85 Fällen je 100.000 Personentage. Mit drei Dosen lag es bei rund 8 Fällen je 100.000 Personentage oder etwas weniger als ein Zehntel.
- Das Risiko einer schweren Erkrankung mit zwei Impfdosen lag bei rund 6 Fällen je 100.000 Personentage. Nach drei Dosen waren es 0,3 Fälle je 100.000 Personentagen oder ein Zwanzigstel.
Angenommen, man betrachtet 10.000 Personen über jeweils 30 Tage, dem Zeitraum der Studie, ergibt das 300.000 Personentage. Daraus ergeben sich folgende Fallzahlen:
- Mit zwei Impfdosen erwartet man 255 Infektionen, mit drei Dosen 24 Infektionen.
- Mit zwei Impfdosen erwartet man 18 schwere Fälle, mit drei Dosen einen schweren Fall.*
Schutz für 16 von 10.000 Personen – mögliche Nebenwirkungen für die anderen
Um es in Worten auszudrücken, die Wahrscheinlichkeit, sich NICHT zu infizieren, steigt mit der dritten Dosis von 9.745 Nicht-Infizierten pro 10.000 zweimal Geimpften auf 9.976 Nicht-Infizierte pro 10.000 dreimal Geimpften. Das ist eine Erhöhung des Schutzes um 2,31 Prozentpunkte.
Die Wahrscheinlichkeit, NICHT schwer zu erkranken, steigt mit der dritten Dosis von 9.982 pro 10.000 auf 9.998 pro 10.000. Die Booster-Impfung schützt also konkret 16 von 10.000 Geimpften vor einer schweren Erkrankung. Das ist eine Erhöhung des Schutzes um 0,16 oder knapp 0,2 Prozentpunkte.
Eventuelle Nebenwirkungen, die nach der Booster-Impfung auftreten können, blieben dabei unberücksichtigt. Sollten nur 16 von 10.000 Booster-Geimpften negative Auswirkungen erfahren, ist der Nutzen aufgewogen.
Standards der Berichterstattung missachtet
Das Fazit des RWI ist eindeutig: Bereits in der Zusammenfassung der Studie im „New England Journal of Medicine“ werden keine absoluten Zahlen, sondern nur relative Zahlen zum Effekt der dritten Impfung genannt. Dies, obgleich sich medizinische Zeitschriften den sogenannten CONSORT-Regeln verpflichtet haben. Diese beinhalten unter anderem, immer beides zu berichten, relative und absolute Effekte.
Relative Zahlen sind beeindruckend groß, während die absoluten Zahlen klar zeigen, dass eine Booster-Impfung die bereits beachtlich hohe – relative – Wirkung der ersten beiden Impfungen noch etwas verstärkt. Aber dieser zusätzliche Effekt ist nicht so groß wie es die relativen Zahlen erscheinen lassen.
(Mit Material des RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen.)
*Anmerkung der Redaktion: Aufgrund einer Änderung in der Originalquelle wurde der Text am 5. 10. um 17:10 Uhr aktualisiert.
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