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Bock auf Ziegenbock

Die Schattenseite des Ziegenkäses: Wer isst schon Zickleinfleisch?

Ob mit frischen Kräutern, getrockneten Tomaten oder Obst – Ziegenkäse hat Hochsaison. Die große Auswahl von cremig-mild bis kräftig-aromatisch hat viele Verbraucher überzeugt, andere hingegen haben Vorurteile. Doch die große Nachfrage stellt Ziegenbauern vor ein Problem.

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Gourmets schätzen die Ziege nicht nur für ihren Käse, sondern auch wegen des Fleisches.

Foto: iStock

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Lesedauer: 4 Min.

Während der Konsum von Kuhmilchprodukten immer mehr aufs Abstellgleis gerät, boomt der Handel mit Produkten aus Ziegenmilch geradezu. Doch wie bei jeder Medaille gibt es auch hier eine Kehrseite: Bevor eine Ziege Milch gibt, müssen die Milchdrüsen ihre Funktion aufgenommen haben. Mit anderen Worten, ohne zumindest eine Geburt gibt eine Geiß keine Milch.
Nach der ersten Geburt können die Tiere dann über mehrere Jahre lang gemolken werden. Die Tierhalter stellt dies – ähnlich wie bei Legehennen – vor ein Problem: Was machen wir mit den männlichen Nachkommen? Viele Höfe wollen die Böcke möglichst schnell loswerden. Denn im Gegensatz zu ihren weiblichen Artgenossen kann man Ziegenböcke nicht melken.

Export nach Frankreich

Nach der Schätzung von Gerold Rahmann, Leiter des Thünen-Instituts für Ökologischen Landbau in Westerau westlich von Lübeck, erblicken jährlich rund 36.000 vermeintlich nutzlose Ziegenböcke in Deutschland das Licht der Welt. Zigtausende würden nach Frankreich verfrachtet. Im Frühjahr, wenn besonders viele Kitze geboren werden, würden die Bauern sogar Mastbetriebe bezahlen. Hauptsache, die Tiere kommen weg.
„Selbst geschenkt haben will die Tiere niemand“, sagt Rahmann laut „Welt“.
Kein Wunder. Der Nachwuchs verursacht viel Mehrarbeit – und vor allem Kosten. Nutzlos sind die kleinen Ziegenböcke jedoch nicht. Inzwischen gibt es einen Markt für Ziegenfleisch, nicht nur bei Hunde- und Katzenfutter. Längst gilt das Fleisch von Zicklein, auch Kitzfleisch genannt, unter Gourmetköchen als Delikatesse.
Doch anders als etwa in Frankreich oder Griechenland ist der Verbrauch von Ziegenfleisch in Deutschland, gelinde gesagt, verhalten. Laut Statistischem Bundesamt lag der Konsum von Schaf- und Ziegenfleisch im Jahr 2023 in unserem Land bei durchschnittlich unter einem Kilogramm pro Kopf in Deutschland, bei Geflügel waren es rund 13 Kilogramm. Top eins ist seit Jahren Schweinefleisch; auch wenn hier ein Rückgang zu verzeichnen ist, erreichte es im vergangenen Jahr einen durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 27,5 Kilogramm.

Reich an Inhaltsstoffen und Geschmack

Angelika Esser von der Vereinigung der Schaf- und Ziegenmilcherzeuger e.V. sagt: „Wie schön, dass das Fleisch ein solcher Genuss ist und zudem noch als besonders gesund gilt. Reich an Protein, Vitaminen, Omega-3-Fettsäuren und arm an Cholesterin und Fett, wird es von Köchinnen und Köchen für seine Vielseitigkeit in der Küche geschätzt. Es ist eine feine Spezialität.“ Dafür sorgen auch aromatische Kräuter, die verfüttert werden und dem Fleisch eine besondere Note geben.
Was allerdings fehlt, ist die Vermarktung. Fleisch von Zicklein ist ein Nischenprodukt. Geschmackliche Vorurteile erschweren zudem den Verkauf, selbst wenn es sich um regionale Bio-Produkte in hervorragender Qualität handelt.

Projekte für regionale Partner

Süddeutsche Projekte wie Allgoiß, Zickensommer und Biolämmer von Schaf und Ziege sollen hier Abhilfe schaffen, heißt es auf der Website des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft. Die Projekte lehnen sich an die internationale Vermarktungsinitiative für Kitzfleisch namens Goatober Food Festival an. Der Begriff setzt sich aus den englischen Worten für Ziege (goat) und Oktober (october) zusammen.
Erstmalig fand ein solches Festival im Jahr 2011 in New York statt. Dort boten die besten Restaurants ihre Gerichte aus Ziegenfleisch den Gästen an. Mit ihrer Aktion wurde auf die schwierige Vermarktung von Kitzböcken hingewiesen. In den Folgejahren verbreitete sich die Idee weltweit.
Das Konzept blieb immer gleich: Milchziegenbetriebe kooperieren mit regionalen Gastronomen, begleitet von Marketingaktionen. Dabei verspricht der Absatz an die Gastronomie eine ähnlich hohe Wertschöpfung wie bei der Direktvermarktung. Infoveranstaltungen, Betriebsführungen und Kochkurse bringen den Verbrauchern die Ziege näher.
„Sich regional zu vernetzen, ist entscheidend“, so das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Die Kitzvermarktung müsse an die örtlichen oder kulturellen Verhältnisse angepasst werden. Und wer sein Ziegenfleisch in der Region kauft, unterstützt auch den Ziegenbauern vor Ort.
 

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