Kolumbus hat ein Problem
Venezianische Glasperlen belegen: Kolumbus war nicht der Entdecker Amerikas

Symbolbild.
Foto: iStock
Die blauen Glasperlen, die Archäologen in Punyik Point (Alaska) entdeckten, sind nur so groß wie Blaubeeren. Viel schwerer wiegt dagegen ihre Bedeutung: Sie sind die bislang ältesten europäischen Produkte, die in Nordamerika gefunden wurden.
Mindestens zehn dieser Perlen überlebten mehr als fünf Jahrhunderte in der kalten Erde am Rand der Brookskette in Nordalaska. Wie die Forscher in ihrer kürzlich veröffentlichten Studie schreiben, stammen die winzigen Glasperlen aus Venedig (Italien). Mehr als 15.000 Kilometer könnten sie geschützt in der Tasche eines Seefahrers zur Beringstraße gereist sein. Lange vor der Ankunft Kolumbus in der “Neuen Welt”.
Glasperlen als frühe Geldform
Mike Kunz, Studienautor und Archäologe an der University of Alaska Museum of the North in Fairbanks, besuchte Punyik Point mehrmals. Die Fundstelle befindet sich etwa 1,6 Kilometer von der kontinentalen Wasserscheide in der Brookskette entfernt. Heute ist der Ort unbewohnt, doch dies war nicht immer so.
Punyik Point lag an alten Handelsrouten von der Beringsee zum Arktischen Ozean. Außerdem war er wahrscheinlich ein verlässlicher Ort, um Karibus zu jagen, erklärt Kunz in einer Pressemitteilung. “Und wenn die Karibus aus irgendeinem Grund nicht durch den Ort zogen, an dem man sich befand, gab es am Punyik Point ausgezeichnete Seeforellen und große Strauchweiden”, ergänzt der Archäologe.
Archäologen graben schon seit langer Zeit am Punyik Point. Hier entdeckte William Irving von der University of Wisconsin in den 1950er und 1960er Jahren bereits zwei blaue Glasperlen. Mehr als 40 Jahre später entdeckte auch Kunz und seine Kollegen drei weitere Perlen und Kupferschmuck in der Nähe.
Forscher entdecken oft “Handelsperlen” an archäologischen Stätten der amerikanischen Ureinwohner. Die Händler schufen Glasperlen mit einer Technologie, die in den Kulturen der Ureinwohner nicht existierte. Wenn die Entdecker schließlich auf Ureinwohner trafen, nutzten sie diese Perlen, um mit ihnen zu handeln. So soll beispielsweise der Holländer Peter Minuit 1626 sein Geschäft mit der Insel Manhattan mittels Handelsperlen abgeschlossen haben.
Hat Kolumbus ein Problem?
Doch erst das Alter der Perlen machte den Fund zu einer Sensation. So hatten Kunz und Mills Zugang zu einer Technologie, die Irving in den 1960er Jahren noch nicht hatte: die Kohlenstoffdatierung.
Glasperlen selbst sind nicht mittels der C14-Methode datierbar, sondern nur organisches Material wie Pflanzenfasern, Holzkohle usw. Entdecken Archäologen also organisches Material neben Funden wie den Glasperlen, können diese indirekt datiert werden. Vorausgesetzt, beide Materialien gelangten einst gleichzeitig in den Boden.
Zum großen Glück der Forscher blieben an dem in der Nähe gefundenen Metallschmuck Pflanzenfasern in Form einer Schnur erhalten. Diese, wahrscheinlich aus der inneren Rinde einer Strauchweide hergestellt, konnten die Forscher für einen Radiokarbontest einschicken. Wenige Monate später dann die Sensation.
“Wir sind fast rückwärts umgefallen”, sagte Kunz. “[Das Ergebnis] kam zurück und datierte irgendwann in die 1400er Jahre.” Die Glasperlen gelangten demnach lange vor der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus im Jahre 1492 auf den Kontinent.
Glasperlen-Spur führt nach Venedig
Einen Fehler schlossen die Forscher aus. Weitere Datierungen von anderen umliegenden Objekten bestätigt dieses Ergebnis später. Für Archäologen erzählen die Blaubeer-großen Glasperlen eine bedeutsame Geschichte. “Dies ist das früheste Auftauchen von zweifellos europäischem Material in der Neuen Welt durch Überlandtransport”, sagte Kunz.
Die Perlen aus der Tundra im Norden Alaskas kamen außerdem aus Venedig – eine halbe Welt entfernt. Zu diesem Ergebnis gelangten die Forscher nach intensiven Studien zur Geschichte der Glasperlenherstellung in der Stadt Venedig.
Zusammen mit der Radiokohlenstoff-Datierung stellten die Archäologen fest, dass die Perlen irgendwann zwischen 1440 und 1480 am Punyik Point angekommen seien. Jahre bevor Kolumbus überhaupt an seine Reise dachte.
Doch wie gelangten die Perlen von den Kanälen Venedigs an eine Fundstelle westlich der Rocky Mountains?
Nächster Halt: China, Sibirien, Alaska
In den 1400er Jahren handelten die Venezianer mit Menschen in ganz Asien. Die Perlen könnten demnach zunächst in einem Wagen entlang der Seidenstraße ostwärts nach China gelangt sein. Von dort aus “fanden diese frühen venezianischen Perlen ihren Weg in das Hinterland der Ureinwohner, wobei einige bis in den russischen Fernen Osten gelangten”, schreiben die Autoren in ihrer Studie.
Nach dieser großen Reise könnte ein Händler die Perlen in seinem Boot am westlichen Ufer der Beringsee verstaut haben. Dann tauchte er sein Paddel ein und machte sich auf den Weg in die Neue Welt, das heutige Alaska. An ihrer engsten Stelle führt die Durchquerung der Beringstraße etwa 85 Kilometer über den offenen Ozean.
Kunz und Mills glauben, dass die Perlen wahrscheinlich in einem alten Handelszentrum namens Shashalik, nördlich des heutigen Kotzebue und etwas westlich von Noatak, ankamen. Von dort wurden sie wahrscheinlich von Menschen zu Fuß tief in die Brookskette getragen.
Jemand am Punyik Point könnte die exotischen blauen Perlen zu einer Halskette aufgereiht und verloren oder zurückgelassen haben. Ein Geheimnis, das Archäologen Jahrhunderte später wiederentdeckten.
(Mit Material der University of Alaska Fairbanks)
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