
Keine Waldrodung für Windräder: Verwaltungsgericht bestätigt Windpark-Baustopp in Baden-Württemberg
"Wir versuchen seit drei Jahren, den Windpark zu verhindern. Da freue ich mich natürlich über die Entscheidung, die das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg bestätigt", freut sich Lucia Bausch, Vize-Vorsitzende des Vereins Arten- und Landschaftsschutz Länge-Ettenberg, über die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg.

Arbeiter beim Bau eines Windparks (Symbolbild).
Foto: iStock
Ein harter Schlag für die beiden Betreiber der in Baden-Württemberg geplanten Windparks „Länge“ und „Blumberg“. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat am 19. Dezember den vom Verwaltungsgericht Freiburg angeordneten Baustopp zweier Windparks bestätigt. In den Windparks „Länge“ und „Blumberg“ sollten ursprünglich insgesamt elf Windkraftanlagen gebaut werden. Darüber hinaus wurde das vorläufige Verbot der Waldrodung für den Windpark „Blumberg“ bestätigt.
Der Antragsteller, ein anerkannter Naturschutzverein, hatte sich per Eilverfahren beim Verwaltungsgericht Freiburg gegen die zwei sofort vollziehbaren immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis für die Errichtung und den Betrieb des Windparks Länge mit sieben Windkraftanlagen auf den Gemarkungen Donaueschingen-Neudingen und Hüfingen-Fürstenberg und des Windparks Blumberg mit vier Windkraftanlagen auf der Gemarkung Blumberg-Riedöschingen gewandt.
Außerdem hatte sich der Naturschutzverein in einem zweiten Eilantrag gegen die Waldrodung gestellt, die zur Errichtung des Windparks Blumberg notwendig gewesen wäre.
Das Verwaltungsgericht Freiburg gab den Eilanträgen im Wesentlichen mit der Begründung statt, nach § 13 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) hätten die Genehmigungen der Waldumwandlung nicht gesondert vom Regierungspräsidium Freiburg, sondern im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durch das Landratsamt erteilt werden müssen.
Gericht entscheidet gegen Windkraftbetreiber
Der VGH hat die Entscheidungen des Freiburger Gerichts mit seinen Beschlüssen im Ergebnis bestätigt. Dabei folgte der VGH in beiden Verfahren nicht den beigeladenen Windkraftbetreibern sowie dem Land Baden-Württemberg als Träger der Genehmigungsbehörden, die die Widersprüche gegen die Windkraftgenehmigungen sowie die Klage gegen die Waldumwandlungsgenehmigung jeweils als verfristet angesehen hatten.
Nach Auffassung des VGH fehlte es bei allen drei Genehmigungsbescheiden an einer ordnungsgemäßen öffentlichen Bekanntmachung, mit der die Rechtsbehelfsfristen in Gang gesetzt werden.
Weiter heißt es in den Entscheidungsgründen, die Genehmigung der Umwandlung des auf den Anlagenstandorten befindlichen Waldes sei rechtswidrig, weil diese von einer unzuständigen Behörde, nicht im richtigen Genehmigungsverfahren sowie ohne die hierfür erforderliche Rechtsgrundlage erteilt worden sei.
Gericht rügt fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung
Besonders hervorzuheben ist, dass das VGH die immissionsschutzrechtlichen Windkraftgenehmigungen für rechtswidrig ansieht, weil wegen der gesetzlich vorgesehenen Einbeziehung der Waldumwandlung in das immissionsschutzrechtliche Verfahren eine Öffentlichkeitsbeteiligung hätte erfolgen müssen.
Eine öffentliche Bekanntmachung hat nach den gesetzlichen Anforderungen zu erfolgen. Demnach hat der verfügende Teil des Planungsfeststelllungsbeschlusses, die Rechtsbehelfsbelehrung und ein Hinweis auf die Auslegung im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Behörde und in lokalen Tageszeitungen zu erfolgen. In der gerichtlichen Entscheidung heißt es:
Es würde der vom Gesetzgeber für besonders bedeutsame Vorhaben ausdrücklich angeordneten Formenstrenge widersprechen, wenn die zuständige Behörde sich anstelle der in § 74 Abs. 5 Satz 2 VwVfG vorgesehenen Form der Bekanntmachung – wie dies die Beschwerde meint – nach ihrem Ermessen anderer Bekanntmachungsformen (hier in Gestalt der Bekanntmachung der Waldumwandlungsgenehmigung in den Amtsblättern der berührten Gemeinden in Verbindung mit einer Pressemitteilung auf der Homepage des Regierungspräsidiums Freiburg) bedienen könnte; ob sich die mit einer öffentlichen Bekanntmachung bezweckte Anstoßfunktion im Einzelfall mit anderen Formen der Bekanntgabe vielleicht sogar besser als auf dem in § 74 Abs. 5 Satz 2 VwVfG vorgeschriebenen Weg erzielen ließe, ist insoweit ohne Belang.
Fehlende Ausgleichsmaßnahmen
Zudem bemängelte das Gericht in beiden Verfahren ausreichende forstrechtliche Ausgleichsmaßnahmen zur Kompensation des mit der Waldumwandlung verbundenen Natureingriffs. Es sollte eine dauerhafte Umwandlung von 3,62 Hektar Wald und eine befristete Umwandlung von 1,16 Hektar Wald erfolgen.
Im Beschluss 10 S 823/19 heißt es:
Anders als bei der (baurechtlichen) Genehmigung des Abbruchs einer baulichen Anlage wird mit der forstrechtlichen Umwandlungsgenehmigung nicht lediglich (durch Rodung) das Freiräumen einer Fläche für eine spätere Anschlussnutzung ermöglicht. Vielmehr wird bereits mit Blick auf die konkret geplante Anschlussnutzung (Errichtung und Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage) eine Nutzungsänderung genehmigt; die hierfür regelmäßig (aber nicht notwendig, vgl. § 2 Abs. 2 LWaldG, wonach auch kahlgeschlagene Flächen als Wald gelten) verbundene Rodung ist dabei lediglich ein Teil der mit der Umwandlung genehmigten Nutzungsänderung.
Hinzu komme laut Gericht, dass die im Gesetz vorgesehene Abwägung, wonach bei der Entscheidung über einen Umwandlungsantrag die Rechte, Pflichten und wirtschaftlichen Interessen des Waldbesitzers sowie Belange der Allgemeinheit, insbesondere die nachhaltige Sicherung des Waldes wegen seiner Bedeutung für die Umwelt, gegeneinander und untereinander abzuwägen sind. Nicht nur die Umweltauswirkungen der Rodung, sondern zugleich auch die zu genehmigende neue Nutzung müsse betrachtet werden. Daher seien auch die positiven oder negativen Umweltauswirkungen der geplanten Anlage im Sinne des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BlmSchG) maßgeblich zu berücksichtigen.
Entscheidung für Naturschutz
Umgekehrt würde mit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Errichtung einer Windkraftanlage eine neue Nutzungsart für das ehemalige Waldstück verbindlich festgestellt und gestattet werden. Dies habe zur Folge, dass die Auswirkungen der Nutzungsänderung und der Errichtung und des Betriebs der Windkraftanlage auf den Naturhaushalt des Waldes und die im Wald lebenden Tierarten laut Gericht berücksichtigt werden müssten. So müssten beispielsweise bei der Errichtung der Anlagen Horstbäume geschont, Nistzeiten beachtet und etwa Jagdreviere und Überflugrouten insbesondere gefährdeter Vogelarten oder Fledermäuse im Wald mitbetrachtet werden.
Lucia Bausch, Vize-Vorsitzende des Vereins Arten- und Landschaftsschutz Länge-Ettenberg, begrüßte laut „Südkurier“ die Entscheidung. Sie sagte:
„Wir versuchen seit drei Jahren, den Windpark zu verhindern. Da freue ich mich natürlich über die Entscheidung, die das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg bestätigt.“
Düstere Zukunft für Windkraftanlagenbetreiber
Was die Zukunft für die beiden Windkraftanlagenbetreiber Solarcomplex und auch GreenCity Energy bringt, ist fraglich. Denn die Beschlüsse des VGH sind unanfechtbar (10 S 566/19 und 10 S 823/19). Bei Solarcomplex soll in einer Gesellschaftsversammlung die Zukunft des Projektes besprochen werden. Green CityEnergy will ebenfalls das weitere Vorgehen prüfen.
Mit seiner Entscheidung dürfte das Gericht den Weg für alle Naturschützer und Windparkgegner freimachen und eine Welle gegen den Bau von weiteren Windkraftanlagen einleiten. Ob auch in anderen Bundesländern die Verwaltungsgerichte nachziehen und die Rodung von Wäldern für den Bau von Windrädern wegen Formfehlern im Genehmigungsverfahren stoppen, bleibt abzuwarten.
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