Blutwurz: Von der Naturheilpflanze zur Arzneipflanze des Jahres 2024
Eine eher unbekannte Pflanze rückt ins Rampenlicht: die Blutwurz. Mit ihrer Wahl zur Arzneipflanze des Jahres 2024 werden die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten dieser traditionellen Heilpflanze beleuchtet.
0
Die Blutwurz verdient zur recht wieder mehr Aufmerksamkeit als Heilpflanze.
Potentilla erecta, eine unscheinbare Pflanze aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae), hat sich als Arzneipflanze des Jahres 2024 einen Namen gemacht. Besser bekannt ist sie als Blutwurz oder Tormentil. Früher wurde sie auch Ruhrkraut genannt, was auf ihre Verwendung in der Naturheilkunde bei Ruhrerkrankungen hinweist.
Die Ehrung durch den Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde der Universität Würzburg beruht auf der langen Nutzungsgeschichte und dem enormen Forschungspotenzial dieser bemerkenswerten Pflanze. Traditionell wird sie bei leichten Durchfallerkrankungen und Entzündungen im Mund- und Rachenraum eingesetzt.
Mit einer Wuchshöhe von zehn bis 30 Zentimetern blüht die Blutwurz von Mai bis Oktober und zeigt ihre gelben Blüten. Diese fallen durch vier Kronblätter auf, ein charakteristisches Merkmal, das sie von anderen Fingerkräutern unterscheidet, die gewöhnlich fünf Kronblätter haben. Trotz ihrer dezenten Erscheinung hat die Blutwurz einiges zu bieten.
Die gemeine Blutwurz. Georgius Jacobus Johannes van Os in Flora Batava (KB), Ausgabe 02, 1807
Foto: gemeinfrei
Die Blutwurz findet sich in Wäldern, auf Magerwiesen und Heideböden. Charakteristisch ist ihr Wurzelstock, der ein bis drei Zentimeter Durchmesser erreichen kann, und arzneilich seit Jahrhunderten genutzt wird. An Schnitt- oder Bruchstellen oxidieren die enthaltenen Gerbstoffe und färben den Wurzelstock rot, was der Pflanze ihren Namen „Blutwurz“ eingebracht hat.
Wurzelstock der Blutwurz. Die Schnittfläche verfärbt sich rasch zu rot.
Hildegard von Bingen empfahl die Blutwurz bereits im 12. Jahrhundert bei Fieber. Hieronymus Bock erwähnt in seinem Kräuterbuch 300 Jahre später die Verwendung innerlich bei Vergiftungen und Pestilenz. Letzteres war damals ein Sammelbegriff für alle ansteckenden Krankheiten. Äußerliche Anwendung sind im Zusammenhang mit Nasenbluten, Wunden, Menstruationsbeschwerden, Augenleiden und Feigwarzen überliefert.
Aus dem frühen 20. Jahrhundert sind Anwendungen bei Durchfall, Darmblutungen und Magenschwäche überliefert, äußerlich bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum, Wunden, nässenden Ekzemen, Quetschungen und Blutergüssen.
Der hohe Gerbstoffgehalt in der Blutwurz, der Konzentrationen bis zu 22 Prozent erreichen kann, ist für die heutige, naturwissenschaftlich fundierten Pflanzenheilkunde (Phytotherapie) von Bedeutung. Gerbstoffe wirken zusammenziehend (adstringierend) und desinfizierend. Darüber hinaus finden sich Flavonoide, Triterpensäuren und Phenolsäuren in der Blutwurz.
Teezubereitungen, Tinkturen und Extrakte aus dem Blutwurzelstock werden heute vor allem bei Durchfallerkrankungen und bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum angewendet.
Trotz ihrer historischen Bedeutung findet die Blutwurz in der modernen Medizin kaum Beachtung. Es wurden seit Langem keine klinischen Studien mehr zu dieser Pflanze durchgeführt, obwohl ihr Potenzial gerade in Anbetracht der heutigen Zunahme von Darmerkrankungen enorm ist. Die Ernennung zur Arzneipflanze des Jahres 2024 soll dies ändern und die Aufmerksamkeit wieder auf diese wertvolle Heilpflanze lenken. Der Studienkreis betont die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten und das ungenutzte Potenzial der Blutwurz.
„Angesichts der Häufigkeit von chronischen Verdauungsstörungen von bis zu 30 Prozent der mitteleuropäischen Bevölkerung sollte dies eigentlich Anlass genug sein, entsprechende Entwicklungen zu fördern“, so der Wortlaut in der Mitteilung des Studienkreises Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde.