Stromsteuer sinkt
Absenkung der Industriestrompreise: Nicht alle profitieren davon
Beim lange umstrittenen Industriestrompreis fiel nun eine Entscheidung. Zur geplanten Senkung der Stromsteuer gab es positive Reaktionen. Einige bemängelten aber auch, dass der Vorteil für das produzierende Gewerbe zu gering sein werde.

Dicke Kupferleitungen versorgen das verarbeitende Gewerbe mit viel Energie. Künftig wird sie für Großbetriebe etwas günstiger.
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Die Bundesregierung einigte sich am Donnerstag, 9. November, auf ein Maßnahmenpaket zur Absenkung der Strompreise für das produzierende Gewerbe.
Demnach soll die Stromsteuer von derzeit rund zwei Prozent auf das europäische Mindestmaß von 0,05 Prozent gesenkt werden. Die bestehende Strompreiskompensation soll für fünf Jahre verlängert und ausgeweitet werden. Eine Entlastung für die Branche.
Wirtschaftsverbände reagieren mehrheitlich positiv
Die deutsche Wirtschaft, die davon profitiert, bewertet die Einigung mehrheitlich positiv. Es bringe „dringend notwendige Entlastungen für Unternehmen und ist ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Wettbewerbsfähigkeit“, erklärte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) Tanja Gönner. Die Industriegewerkschaft IGBCE sprach von einem „wichtigen ersten Schritt“.
Für Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie, ist die Absenkung der Stromsteuer „überfällig“ gewesen. „Genau das haben wir zusammen mit anderen mittelständischen Industriebranchen immer wieder in die Diskussion eingebracht.“
Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Thilo Brodtmann, lobte wie auch der BDI, dass dieser Schritt allen Unternehmen des produzierenden Gewerbes zugutekomme. „Eine solche Steuersenkung wird direkt wirksam“, erklärte Brodtmann. „Die Entlastung wird somit in der Breite der Industrie ankommen.“
Profitieren energieintensive Unternehmen?
Habeck hatte sich lange für einen speziellen Industriestrompreis nur für besonders energieintensive Unternehmen eingesetzt, die im internationalen Wettbewerb stehen. Für diese Unternehmen sind nun zwar ebenfalls spezielle Subventionsinstrumente vorgesehen, sie gehen aber kaum über das hinaus, was im Rahmen des Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung ohnehin bereits vorgesehen war.
BDI-Chefin Gönner bemängelte, dass „der Kreis der energieintensiven Unternehmen mit rund 350 Unternehmen sehr eng gewählt“ sei. Positiv hob sie allerdings hervor, dass die Bundesregierung für ihre Maßnahmen keine Genehmigung bei der EU in Brüssel einholen muss.
Auch die chemische Industrie, die von einer Subvention besonders für energieintensive Unternehmen stärker profitiert hätte, zeigte sich zurückhaltend. „Die dringend benötigte kurzfristige Brücke für energieintensive Unternehmen und damit der energiepolitische Befreiungsschlag bleiben leider aus“, erklärte der Hauptgeschäftsführer ihres Verbandes, Wolfgang Große Entrup.
Nicht alle profitieren
Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, forderte für einen bezahlbaren Strompreis hingegen grünes Licht für „alle verfügbaren Technologien“, zum Beispiel Gasförderung mittels Fracking, CO₂-Speicherung und Kernenergie.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) beschwerte sich jedoch, dass Handels- und Dienstleistungsunternehmen nicht von der reduzierten Stromsteuer profitieren. „Die Strompreise sind für alle hoch, deshalb braucht es eine Entlastung für alle“, erklärte HDE-Präsident Alexander von Preen.
Gerade kleine Betriebe wie etwa Bäckereien sehen sich als Verlierer. Auch sie kämpfen ebenfalls seit einiger Zeit mit den hohen Strompreisen. Hierzu äußerte sich bereits im August die Bäckerei-Inhaberin Caterina Künne bei „Hart aber fair“. Sie warf der Bundesregierung vor, dass mit einem Industriestrompreis Großbetriebe und Großbäckereien bevorzugt würden. Hingegen habe der Handwerksbäcker um die Ecke das Nachsehen, sodass es ihn bald nicht mehr geben werde.
Wirtschaftsprofessor zweifelt die Auswirkungen an
Etwas kritischer betrachtet Jens Südekum, Wirtschaftsprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die Sache. „Es ist fraglich, ob diese Steuersenkung große Auswirkungen haben wird.“
Die Senkung der Stromsteuer reduziere die Kosten für die Kilowattstunde um rund 1,5 Cent für die Unternehmen. Das sei viel weniger als beim Wegfall der EEG-Umlage im Jahr 2022, wo es um mehr als sechs Cent gegangen sei. Die Unternehmen seien also schon erheblich von Steuern und Umlagen entlastet worden.
„Insgesamt ist das Paket also eine teure Gießkannenförderung für alle, die kaum spürbare Effekte haben dürfte“, schlussfolgerte Südekum.
Kretschmer (CDU): Keine dauerhafte Lösung
Lange gab es Uneinigkeit in der Politik, ob und wie es den Industriestrompreis geben soll. Auch nach der Entscheidung durch den Bund gehen die Ansichten auseinander. Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, sieht in der geplanten Senkung der Stromsteuer eine „Notoperation, aber keine dauerhafte Lösung“. Sachsen habe die Senkung lange gefordert, sie sei dringend notwendig. „Damit gesteht die Bundesregierung die dramatische Notlage bei den Energiepreisen ein.“
Die Grünen bezeichneten auf dem Kurzbotschaftendienst X/Twitter die Steuersenkung für die Industrie als „Durchbruch“. Die Partei rechnet damit, dass die erneuerbaren Energien künftig günstige Energie liefern werden. Einige Fachleute bezweifeln das jedoch.
(Mit Material von AFP)
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