Am teuersten könnte die Pleite der Bremer Greensill-Bank für die Bötzinger und Wiessacher Bürger werden. Pro Kopf legten die beiden Gemeinden aus Baden-Württemberg dort 2.511 beziehungsweise 2.119 Euro an. Das prominenteste Opfer in Deutschland könnten das Land Thüringen werden (50 Millionen Euro), die Stadt Wiesbaden (20 Mill.) oder die Kölner Bühnen (15 Mill.).
Die Bank ist pleite, die Konten wurden eingefroren. Ein- und Auszahlungen sind gestoppt.
Einlagen von Privatkunden sind bis 100.000 Euro abgesichert – anders sieht es für die deutschen Kommunen aus, die ebenfalls dort anlegten und deren Einlagen nicht abgesichert sind (darunter auch Monheim, Osnabrück, Gießen, Neckarsulm, der Erzgebirgskreis und Bad Dürrheim). Das Portal tagesgeldvergleich.net
veröffentlicht eine regelmäßig aktualisierte Liste mit betroffenen Kommunen.
Am 17. März waren dort neben dem Bundesland Thüringen 31 Kommunen mit einer gesamten Anlagesumme von rund 331 Millionen Euro aufgeführt. Allein in Hessen sind Summen von (insgesamt) 85 Millionen Euro im Spiel.
Die “Kämmerer haben fahrlässig gehandelt”, erklärt “Tagesgeldvergleich”. Diese sollten – anders als Privatanleger – Profis sein, die sich mit den Risiken auskennen. Mit Nichtwissen über die Lage der Bank könne sich jedoch niemand herausreden, da sowohl der Bundesverband deutscher Banken als auch die Fachpresse für Kämmerer laut
BaFin Monatsbericht März 2021 “die Nachricht und deren mögliche Folgen damals aufgegriffen” hatten.
Das Problem der Kämmerer: Das Jahr 2017
Das Problem ist: Im Jahr 2017 gab es eine entscheidende Änderung in der Einlagensicherung, die die Länder und Kommunen, die nun betroffen sind, verschlafen haben. Damals fiel die Einlagensicherung für Kommunen und Ländern weg – für Privatanleger nicht. Die meisten Kämmerer hatten es bemerkt, 81 Prozent von ihnen entsprechende Konsequenzen gezogen und sich von privaten Banken getrennt.
Die, die nicht reagierten, haben nun das Problem.
Thüringens Finanzministerin Heike Taubert (SPD)
erklärt: Thüringen werde “nichts unversucht lassen, um das Geld wiederzubekommen”. Dabei beschuldigt sie die BaFin, nicht rechtzeitig reagiert zu haben.
Ihr Ministerium gehe davon aus, “dass die BaFin als Bankenaufsicht anders als bei Wirecard rechtzeitig die Reißleine gezogen hat und damit auch das Geld institutioneller Anleger gesichert ist”,
zitiert sie der “Focus”. Taubert kündige an, rechtliche Schritte gegen die BaFin zu prüfen, solle “sich herausstellen, dass die Aufsichtsbehörde in den vergangenen sieben Monaten ungenügend gehandelt” habe.
Insolvenzverfahren
Zum Insolvenzverwalter wurde Michael Frege von CMS Hasche Sigle bestellt. Sigle geht von einem langwierigen Verfahren über fünf bis zehn Jahre aus. Zunächst stünden dabei die Vermögens- und Datensicherung sowie die Kontaktaufnahme zu allen Beteiligten im Vordergrund.
Laut “Wirtschaftswoche” will Frege bereits am 17. März mit dem Vorstand und den Mitarbeitern der Bank sprechen und erste Rundschreiben an die geschädigten Gläubiger versenden. Darüber hinaus seien Gespräche mit den Mitgliedern des Gläubigerausschusses geplant. “Ferner werden wir alle gebotenen Maßnahmen ergreifen, um das Vermögen des Unternehmens im In- und Ausland so schnell wie möglich zu sichern”, kündigte Frege an.
Dabei sei es Teil seiner Aufgaben als Insolvenzverwalter, “die Geschäfts-, Rechts- und Vermögensverhältnisse des Unternehmens vollständig aufzuklären, zu sichern und gegebenenfalls durchzusetzen”, sagte Frege dem Magazin.
“Insofern wird stets in alle Richtungen geprüft, und es wird überprüft, ob Manager, Aufsichtsräte und externe Dienstleister etwaige Pflichten verletzt haben.” Dies gehöre “zwingend zu den Aufgaben einer Insolvenzverwaltung”. Frege ist einer der bekanntesten deutschen Insolvenzverwalter und auf Bankinsolvenzverfahren spezialisiert.
„Focus“: „Viel dürfte nicht zu holen sein“
Der “Focus”
schreibt zum Insolvenzverfahren: “Viel dürfte jedoch nicht zu holen sein. Denn die Vermögenswerte sind überschaubar, die Kundenforderungen allerdings happig.”
Letztlich wird es darauf hinauslaufen, dass die deutsche Einlagensicherung und die Entschädigungseinrichtung des Bankenverbands für die Einlagen von Sparern einspringen müssen. Gegebenenfalls greift die freiwillige Einlagensicherung bei Kunden mit höheren Einlagen im Sicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken.
Experten gehen für die Greensill Bank “von rund 3,1 Milliarden Euro an Kontoeinlagen aus, für die in die Töpfe der Einlagensicherung gegriffen werden muss”. Doch wie viel ist da drin?
Da kommt der Begriff der Deckungsquote ins Spiel. “Tagesgeldvergleich” schreibt: “Die Deckungsquote gibt das Verhältnis der abgesicherten Einlagen zu den verfügbaren Rücklagen des jeweiligen Systems der gesetzlichen Einlagensicherung an. Sind die abgesicherten Einlagen und die verfügbaren Rücklagen gleich hoch, beträgt die Deckungsquote 100 Prozent. Sind die verfügbaren Rücklagen geringer als die abzusichernden Einlagen, liegt die Deckungsquote unter 100 Prozent. In der Praxis liegen die Deckungsquoten in den Ländern Europas zwischen 0,20 und 3,00 Prozent.”
Aktuell beträgt die
Deckungsquote in Deutschland 0,52 Prozent, abgesichert waren im Jahr 2019 Einlagen von 582,71 Milliarden Euro. Die verfügbaren Rücklagen beliefen sich auf rund 3,01 Milliarden Euro.
Wie kam es zur Pleite?
Auslöser der Bankenpleite dürfte der indische Stahltycoon Sanjeev Gupta sein. Der Konzern umfasst 35.000 Mitarbeiter in 30 Ländern und war auch immer wieder als Käufer für den Stahlbereich von Thyssen Krupp im Gespräch. Greensill finanzierte die Expansion des Stahlkonzerns.
Zuvor war bereits die britisch-australische Muttergesellschaft Greensill Capital in die Insolvenz gerutscht. Über die Banktochter in Bremen hatte die Gesellschaft in den vergangenen Jahren Milliardengelder eingeworben, mit denen Geschäfte in der Lieferketten-Finanzierung abgesichert wurden. Die BaFin stellte im Februar in einer forensischen Sonderprüfung fest, dass die Greensill Bank AG nicht in der Lage war, den Nachweis über die Gelder rund um die
GFG Alliance Group (Gupta) zu erbringen.
Greensill gab im Gegensatz zu anderen Banken geringe Zinsen auf angelegtes Geld aus und forderte keine Strafzinsen. Das lockte neben den Kommunen und den Kämmerern von Thüringen auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Privatanleger und Institutionen an.

(Mit Material von afp)