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Goethe, gegendert?

Linguist kritisiert „Genderisierung” der Sprache scharf: „Genderfraktion” verachtet deutsche Sprache

Der Linguist Peter Eisenberg wirft den Betreibern des Genderns vor, die deutsche Sprache zu verachten. Für ihn muss die deutsche Sprache gegen das Gendern verteidigt werden. Umfragen zeigen, dass die überwiegende Mehrzahl der Bundesbürger seiner Meinung zustimmt.

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Der Duden gilt als Grundlage einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung.

Foto: iStock

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CDU-Politiker Friedrich Merz unterbreitete Ende April den Vorschlag, Genderdeutsch in öffentlich-rechtlichem Rundfunk und im amtlichen Schriftverkehr zu verbieten.
Für Merz wäre ein Machtwort dringend angebracht. Die Machenschaften einer kleinen Clique entschlossener Genderideologen hätten inzwischen eine ganze Kulturnation zum Affen gemacht.
“Grüne und Grüninnen? Frauofrau statt Mannomann? Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Mutterland? Hähnch*Innen-Filet? Spielplätze für Kinder und Kinderinnen? Wer gibt diesen #Gender-Leuten eigentlich das Recht, einseitig unsere Sprache zu verändern?”, twitterte Friedrich Merz zuvor am 17. April 2021. Er löste damit heftige Entgegnungen aus.
In einer Meinungsumfrage von Civey zeigt sich, dass 60 Prozent aller Bundesbürger seinem Vorschlag zustimmen. Nur ein Drittel der Befragten sehen seine Idee negativ. Der Verein Deutsche Sprache kam in einer eigenen Umfrage im April auf Facebook zu dem Ergebnis, dass 86 Prozent ein gendern ablehnen.

“Wenn Goethes Werke erstmal gesternt sind, haben wir viel verloren”

Einer der namhaftesten deutschen Sprachwissenschaftler warnte am 12. Mai vor der Zersetzung der deutschen Sprache. Peter Eisenberg, der in den 1980er und 1990er-Jahren viele heutige Standardwerke der deutschen Sprache geschrieben hat, kritisiert scharf die “Genderisierung” der Sprache.
Er sei keineswegs der Hardliner, der alles niedermache. Allerdings fände er, dass die Sprache verteidigt werden müsste. “Wenn Goethes Werke erstmal gesternt sind, haben wir viel verloren.”
In einem Interview mit der “Berliner Zeitung” widerspricht er vor allem Damaris Nübling. Nübling nannte zuvor in der “Berliner Zeitung” diejenigen, die eine Gender-Sprachreform kritisieren, eine “wütende Gruppe älterer Männer”, die “zurück in die Vergangenheit wollen”.

Gendern als demokratische Pflicht?

Der Linguist Peter Eisenberg wirft den Betreibern des Genderns vor, die deutsche Sprache zu verachten. Die “Genderfraktion” bewerte die deutsche Sprache als krank, reparaturbedürftig, gewalttätig; das Gendern sei demokratische Pflicht und die deutsche Sprache mit dem Grundgesetz nicht verträglich.
Sprache hat für Eisenberg zudem auch einen geografischen Maßstab. Der Trend geht dazu, dass die sprachlichen Grenzen auch zu den Grenzen der Staaten würden (Beispiele bieten Tschechisch und Slowakisch, Katalonien und Schottland).
Hätte es in der DDR nicht dieselbe Sprache gegeben wie in der alten Bundesrepublik, dann hätte die Vereinigung nicht funktionieren können. Trotz aller Bemühungen des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands sei die Deutsche Sprache nicht gespalten worden. Eisenberg warnt: “Aber jetzt könnte das geschehen.”

“Die Streichenden und die Blasenden der Berliner Philharmonikerinnen und Philharmoniker …”

Vor allem Berufsbezeichnungen stehen durch die Verfechter des Genderns in der Kritik. Mit den Wörtern Lehrer, Bäcker, Tischler, die typischerweise auf -er enden (generisches Maskulinum), sei jedoch, so Eisenberg, eher der Prototyp gemeint. Diese Wörter bezeichnen Personen, die etwas Bestimmtes tun.
Wer sagt, er gehe zum Bäcker, dem sei es völlig egal, was dieser für einer ist. Doch “wenn man immerzu Bäckerinnen und Bäcker schreiben würde, wäre der Leser nach 20 Seiten so abgenervt, dass er das Buch zur Seite legt.”
„Warum muss man erst die feminine Form bilden, wenn sich das Wort auf Personen beliebigen Geschlechts beziehen soll? Die Advokaten des Gendersterns wollen keinen Ausgleich, sie wollen Macht.”
Angesprochen darauf, von so etwas wie “Studierende” zu sprechen, erklärt der Sprachspezialist, dass es historisch gesehen rund zwei Dutzend solcher Wörter wie Vorsitzende, Reisender oder Kulturschaffender gebe – bei den Substantiven wie Lehrer und Schreiner gebe es um die 10.000 Bezeichnungen.
Goethe habe sowohl “Studierender” als auch “Student” benutzt – und fein im Gebrauch unterschieden. Ein “Studierender” war für Goethe einer, der studiert. Doch wenn er in Auerbachs Keller (einer berühmten Leipziger Gaststätte) gesessen habe, dann war er ein “Student”.
Der Linguist überlegt: “Wenn ich das versuchsweise ernst nehmen würde bei einem Satz wie: Die Streicher und Bläser der Berliner Philharmoniker gehören weltweit zu den besten, dann wird daraus: Die Streichenden und die Blasenden der Berliner Philharmonikerinnen und Philharmoniker gehören … Das ist kein Deutsch.”
Peter Eisenberg (geb. 1940) war bis 2005 Professor für Deutsche Sprache der Gegenwart an der Universität Potsdam. Der mehrfach ausgezeichnete Linguist ist Teil des Rates für deutsche Rechtschreibung.

Das “Selbstverständnis älterer Männer”

Prof. Dr. Damaris Nübling von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sieht das generische Maskulinum hingegen als eine Fiktion an. Das hätten rund 20 Studien und Tests gezeigt. Rezipiententests ergaben, dass – gefragt nach drei Schauspielern – die Antworten in der Regel nur Männernamen beinhalten würden. Frage man hingegen nach Schauspielerinnen und Schauspielern, bekäme man auch Frauennamen.
Auf Kritiker des Genderns wie Peter Eisenberg angesprochen, erklärte Nübling, dass es das “Selbstverständnis älterer Männer” angreife, wenn sich Frauen und nicht binäre Personen zu Wort melden würden.
“Das stellt diejenigen, die bis dahin alles bestimmt haben und dies weitgehend immer noch tun, also meist ältere Männer, in ihrem Selbstverständnis infrage. Der Verein Deutsche Sprache ist für mich der Inbegriff dieser beharrenden, konservativen, wütenden Gruppe, der jetzt das genommen wird, von dem sie dachte, dass es ihr zusteht. Kein Wunder, dass diese Leute zurück in die Vergangenheit wollen.”
Damaris Nübling veröffentlichte 2018 gemeinsam mit Helga Kotthoff das Buch “Genderlinguistik: Eine Einführung in Sprache, Gespräch und Geschlecht”. Für sie werden Frauen in der Sprache noch viel zu oft mit familiären Angelegenheiten in Verbindung gesetzt, Männer hingegen mit beruflichem Erfolg.
Sie plädierte im Schweizer Portal “20min” im Jahr 2020 dafür, das Geschlecht ganz wegzulassen. Wo das nicht möglich sei, wäre ihre Empfehlung eine “bunte Mischung aus verschiedenen Formen: Beidnennungen (Polizistinnen und Polizisten), Sternchen (Professor*innen) oder Neutralisierungen (Studierende). Die letzten beiden Varianten schließen auch Menschen ohne eindeutige Geschlechtszuordnung ein. Ich warne vor fundamentalistischen Regeln.”

Die Liebe wurde entfernt

Ein historisches Beispiel für die Zerstörung der traditionellen Sprache und Kultur bietet die chinesische Sprache. Die Kommunistische Partei (KPC) hat viele chinesischen Schriftzeichen vereinfacht, viele Inhalte der ursprünglichen Worte gingen auf diese Weise verloren.
Heutige Kinder und Jugendliche verstehen daher aus rein sprachlichem Grund die Tiefe der chinesischen Klassiker wie Konfuzius nicht. Es war von der KPC sogar geplant, die chinesischen Schriftzeichen vollständig zu entfernen und sie durch die lateinische Schrift zu ersetzen.
Die Einführung der vereinfachten Schriftzeichen unter der chinesischen kommunistischen Partei erfolgte so aggressiv, dass sich bekannte Gelehrte, Künstler und Persönlichkeiten wie Chen Mengjia, Zhang Bojun und Luo Longji gegen die Vereinfachung stellten. Sie wurden dafür als “Rechte” gebrandmarkt, die meisten von ihnen in Arbeitslager gebracht und zu Tode schikaniert.
Zwei Schriftzeichen: 愛 (爱) bedeuten Liebe und wird Ai ausgesprochen. Das traditionelle Schriftzeichen (links) zeigt Liebe mit dem Herzen (心) im oberen Bereich. Das Herz wurde in der vereinfachten Form 爱 entfernt – das Herz ist im vereinfachten Chinesisch nicht mehr enthalten.
親 (亲) bedeutet nahe oder vertraut und wird Qin ausgesprochen. In der vereinfachten Form (亲) wurde der rechte Teil des Schriftzeichens (見), der sehen und anschauen bedeutet, entfernt. Wenn sich Menschen näher stehen, schauen sie sich sicherlich gegenseitig an. Dieser Teil der Bedeutung geht im vereinfachten Schriftzeichen verloren.

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