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plus-iconVon null auf über 450 Mrd. Euro Schulden

Schuldenlawine und Milliardenlöcher: Bundesrechnungshof zerlegt die Finanzpläne der Bundesregierung

Kritik vom Bundesrechnungshof: Der Bundeshaushalt steht auf tönernen Füßen. Die „Viel-hilft-viel“-Politik der Bundesregierung muss beendet werden, strukturelle Reformen sind nötig. Die Regierung sollte sich auf eine solide geplante und finanziell nachhaltige Haushaltspolitik besinnen.

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Nur ein solider Haushalt kann aus der Corona-Krise helfen.

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

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Lesedauer: 7 Min.

„Der Bund wird derzeit von einer Schuldenlawine mitgerissen. Es gelingt ihm immer weniger, sich aus eigener Kraft zu finanzieren“, stellt der Bundesrechnungshof in einer Analyse für die Mitglieder des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages fest.
Von 2020 bis 2022 explodieren die Kredite von null auf über 450 Milliarden Euro. Das ist „fast die Hälfte der Staatsschulden, die der Bund in den 70 Jahren davor angehäuft hat“. Anders gesagt: In diesen drei Haushaltsjahren nimmt der Bund mehr neue Kredite auf als in den 20 Jahren zuvor.

Die „Viel-hilft-viel“-Politik beenden

Die Bundesregierung beschloss vor zwei Wochen Eckwerte für den Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2022. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) plant eine Neuverschuldung von rund 81,5 Milliarden Euro für 2022. Erneut soll es eine Ausnahme von der Schuldenbremse geben. Der Haushaltsentwurf, der nun aus den Eckwerten erstellt wird, soll im Sommer noch von der aktuellen Koalition verabschiedet werden. Endgültig beschlossen wird er dann aber vom im Herbst gewählten Bundestag.
Die neue Analyse des Bundesrechnungshofs zur Lage der Bundesfinanzen nennt unter anderem folgende Zahlen (hier das Dokument: Informationsunterlage zur Lage der Bundesfinanzen):
  • Der Bundeshaushalt 2020 hat mit Ausgaben in Höhe von 443,4 Milliarden Euro und einer historisch hohen Neuverschuldung von 130,5 Milliarden Euro abgeschlossen.
  • Die Gesamtausgaben des Bundeshaushalts 2021 sollen nach dem Regierungsentwurf für den dritten Nachtragshaushalt auf 547,7 Milliarden Euro steigen.
  • Die Nettokreditaufnahme markiert mit 240,2 Milliarden Euro einen weiteren Höchstwert. Damit wären 43,8 Prozent der Ausgabeermächtigungen kreditfinanziert.
  • In der neuen Finanzplanung tun sich für 2023 bis 2025 erhebliche Lücken auf: rund 86 Milliarden Euro. Die immer noch vorhandene allgemeine Rücklage von 48 Milliarden Euro deckt dies nur zur Hälfte ab. Darin fehlen einige Bereiche, die im aktuellen Vorschlag zum Haushaltsplan nicht berücksichtigt sind (Verteidigung, wirtschaftliche Zusammenarbeit).
Die Bundesregierung agiere seit Beginn der Corona-Pandemie nach dem Grundsatz „viel hilft viel“. Doch sie müsse nun alles dafür tun, „dass die bereitgestellten Corona‑Hilfen tatsächlich und zielgenau ankommen und wirken. Das ist die beste Medizin gegen immer höheren Kreditbedarf“, erklärt der Präsident des Bundesrechnungshofes Kay Scheller.
„Die Bundesfinanzen sind weiter im Klammergriff der Corona-Pandemie. Die gewaltige Schulden-Lawine verhindert ein Herauswachsen aus dem Defizit. Die Zinsen können nicht weiter fallen und eine Rückkehr zu stetig steigenden Steuereinnahmen wie vor der Krise ist derzeit nicht realistisch zu erwarten“, so Scheller weiter.
Nun räche sich, dass in den Jahren nach der Finanz- und Wirtschaftskrise keine notwendigen Reformen eingeleitet wurden.
Der Bundeshaushalt stehe auf tönernen Füßen, das zeige der Eckwertebeschluss der Regierung. Ein Nachtrag jage den nächsten. Diese Regierung hinterlasse ihrer Nachfolgeregierung „Lasten mit vielen Fragezeichen“.
„Staatliche Mittel stehen aber nicht unbegrenzt zur Verfügung und auch nicht für jeden Zweck“, so Scheller. „Ohne strukturelle Reformen wird es nicht gelingen, die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie zu beheben.“

Rückbesinnung auf solide Haushaltspolitik

Die Regierung sollte sich auf eine solide geplante und finanziell nachhaltige Haushaltspolitik besinnen, empfiehlt der Bundesrechnungshof. Ziel sei, den Bundeshaushalt auf mittelfristige Sicht zu stabilisieren. Dazu gehöre auch, alle absehbaren Haushaltsbelastungen im neuen Finanzplan bis 2025 zu berücksichtigen.
Ein „Herauswachsen“ aus der Krise und der Verschuldung allein durch erhofftes Wachstum sei unrealistisch: Null-Zinsen lassen keinen Handlungsspielraum, der Arbeitsmarkt ist am Boden und mit einem schnellen und stetigen Zuwachs der Steuereinnahmen könne der Bund ebenso wenig rechnen. Die Wirtschaft sei viel stärker und breiter betroffen als zur Finanzkrise.
Die Rentenfinanzen wurden ebenso wie die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung nachhaltig belastet, Fragen der langfristigen Finanzierung weitgehend ausgeblendet. Künftig werde ein höherer Bundeszuschuss bei der GKV notwendig, wenn der Beitragssatz eine bestimmte Obergrenze nicht übersteigen soll.
Die Sozialausgaben lagen im Haushalt 2019 bereits bei 51,6 Prozent, im neuen Finanzplanungszeitraum dürfte sie ohne Konsolidierungsschritte fast 53 Prozent des Haushaltsvolumens erreichen. Die Schieflage zwischen Sozialbudget und (öffentlichen) Investitionen wird sich weiter verschärfen, Investitionen machen auch in den nächsten Haushalten weniger als ein Viertel der Sozialausgaben aus.
Der Rechnungshof schlägt vor, dass die Bundesregierung proaktiv handeln und den Haushalt entschlossen stabilisieren und konsolidieren sollte. Als Beispiele werden genannt, steuerliche Subventionen und Vergünstigungen kritisch zu überprüfen, Sozialtransfers besser auszurichten und eine andere Priorisierung der Haushaltspolitik. Der Bund sollte sich auf seine Aufgaben konzentrieren, Steuereinnahmen sichern und Umsatzsteuerbetrug wirksam bekämpfen. Ein Ausgabenmoratorium sei empfehlenswert.

Rechnungshof für Beibehaltung der Schuldenbremse

Trotz oder besser wegen dieser schwierigen fiskalischen Lage müsse die Schuldenbremse uneingeschränkt bestehen bleiben. Sie schütze die Handlungsspielräume und sei urdemokratisch, weil kommende Generationen selbstbestimmt haushalten und künftige Parlamente ihre Entscheidungshoheit und -freiheit behalten sollten.
Ein Abschaffen oder eine Aufweichung hin zu einem zahnlosen Tiger käme einer finanzpolitischen Kapitulation gleich und würde auf lange Sicht die Tragfähigkeit der Bundesfinanzen gefährden.
Die Schuldenbremse übe eine positive Signalwirkung auf die Finanzmärkte aus. Deutschland bleibe weiterhin der Stabilitätsanker im Euroraum und könne sich deshalb äußerst günstig refinanzieren. Eine Abkehr könne zu schlechteren Finanzierungsbedingungen führen und den finanziellen Spielraum noch weiter einengen.
Grundlage für die Analyse des Bundesrechnungshofes war der Beschluss der Bundesregierung vom 24. März 2021 zum Entwurf eines Nachtragshaushalts 2021 sowie zu den Eckwerten für den Haushaltsentwurf 2022 und für die Finanzplanung bis 2025 (Eckwertebeschluss).

Mit gutem Beispiel vorangehen – Neuverschuldung zurückfahren

Der Bericht kam zu dem Fazit: „Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Bundesrechnungshof auch mit Blick auf die Europäische Union und den Euroraum nachdrücklich, mit gutem Beispiel voranzugehen und zumindest auf nationaler Ebene gegenzusteuern. Das heißt: Zurückfahren der Neuverschuldung in den öffentlichen Haushalten, weg von der Gießkannenpolitik der letzten Jahre und hin zu klaren Schwerpunktsetzungen innerhalb des Haushalts.“
Und weiter: „Eines haben die Krisen der letzten Jahrzehnte gezeigt: Zu einer stabilitätsorientierten Finanzpolitik gibt es auf Dauer keine verantwortbare Alternative.“

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