
Banken in der Krise: Kunden sollen mehr zahlen – Negativzinsen, Strafzinsen, „Verwahrentgelt“
Negativzinsen lassen Kunden abwandern. Als die Commerzbank ankündigte, das kostenlose Girokonto abzuschaffen, kündigten neunmal mehr Kunden als üblich.

Immer mehr Privatkunden müssen bei ihrer Bank Negativzinsen oder andere Gebühren auf früher kostenlosen Service wie ein Girokonto zahlen.
Foto: iStock
Mitte Juni warnte die deutsche Finanzaufsicht vor Insolvenzen im Finanzsektor. Vor allem Geldhäuser, die vor der COVID-Krise schon „auf wackeligen Beinen“ standen, seien gefährdet, sagte Bafin-Direktor Raimund Röseler bei der Jahrespressekonferenz der Behörde.
„Wir müssen davon ausgehen, dass nicht alle von der Pandemie gebeutelten Unternehmen der Realwirtschaft wieder gesunden“, so Röseler. Es sei nicht absehbar, mit welchen Verzögerungen sich dies bei den Banken zeigen werde.
Hinzu kommen die Folgen eines Urteils des Bundesgerichtshofes. Ende April entschieden die Richter, dass Banken künftig eine aktive Zustimmung der Kunden für AGB-Änderungen benötigen. Im schlimmsten Fall könnte diese Entscheidung einigen Banken die Hälfte ihres Jahresgewinns kosten, warnte Röseler.
Kunden flüchten
Seither ist zu erkennen, dass eine aktive Zustimmung zu Gebührenerhöhungen oder Strafzinsen Kunden erheblich abwandern lässt. Als die Commerzbank ankündigte, das kostenlose Girokonto abzuschaffen, kündigten neunmal mehr Kunden als üblich. Das zeigen Zahlen des Online-Kündigungsdienstes Aboalarm.
Bei der drittgrößten Bank, der ING (früher ING-Diba), vervielfachten sich die Kündigungen nach diesem Schritt. Über einen Zeitraum von 13 Wochen kündigten sechsmal mehr Kunden, meldet Aboalarm. Künftig sollen zudem sowohl Neukunden als auch Bestandskunden schon für Guthaben über 50.000 Euro einen Negativzins – bezeichnet als „Verwahrentgelt“ – von 0,5 Prozent pro Jahr zahlen, wie das Institut in Frankfurt ankündigte.
Oliver Mihm, Chef der Unternehmensberatung Ivestors Marketing vermutet, dass bis Ende 2021 fast alle Banken und Finanzinstitute ihre Freigrenzen für Negativzinsen auf 25.000 Euro senken. Das dürfte zu weiteren Kündigungen führen.
Negativzinsen, Strafzinsen, „Verwahrentgelt“
Nach einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox erheben inzwischen 349 Banken und Sparkassen Negativzinsen bei größeren Summen auf dem Tagesgeld- oder Girokonto (Stichtag 29. Juni). „Aktuell kommen nahezu täglich weitere Geldhäuser hinzu“, berichtete Verivox-Manager Oliver Maier. Inzwischen erheben Verivox zufolge mindestens 102 Institute Negativzinsen ab einer Gesamteinlage von 50.000 Euro oder weniger pro Kunde und Kundin.
In der Regel beträgt der Satz minus 0,5 Prozent und orientiert sich am Einlagenzins der Europäischen Zentralbank. Es gibt auch Banken, die einen Strafzins von bis zu minus 1 Prozent kassieren und das teilweise bereits ab Freibeträgen von 10.000 Euro. Einige Banken berechnen bereits ab dem ersten Euro Guthaben einen Negativzins.
Negativzins, Strafzins und „Verwahrentgelt“ bezeichnet ein und dieselbe Gebühr, es sind Kosten, die für ein bestimmtes Guthaben an die Bank gezahlt werden müssen. Die Rechtsanwälte von Schwarz | Mertsch verweisen auf „Anwalt.de“ darauf, dass Juristen auf Bankenseite den Banken empfehlen, die Bezeichnung „Verwahrentgelt“ zu verwenden und den Begriff Negativzinsen zu vermeiden.
„Hintergrund ist, dass durch die Umetikettierung versucht wird, die Einführung von Negativzinsen, deren Rechtswidrigkeit weithin anerkannt wird, auf Grundlage einer Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hinsichtlich zu erhebender Entgelte für ‘Bankleistungen, die von Kunden im Rahmen der Geschäftsverbindung typischer dauerhaft in Anspruch genommen werden’ zu stützen.“ Juristisch sei die Bezeichnung jedoch gleichgültig.
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