Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind in Deutschland (im August) 2,955 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, 636.000 mehr als im Vorjahresmonat. Gegenüber Juli stieg die Zahl um 45.000. BA-Chef Detlef Scheele
erklärte: „Die Arbeitslosigkeit hat im August im üblichen Umfang zugenommen; damit gab es wie schon im Juli keinen zusätzlichen coronabedingten Anstieg der Arbeitslosigkeit.“
Bundesarbeitsminister
Hubertus Heil meinte bei der Vorstellung der neuen Zahlen, „im Vergleich zu anderen vergleichbaren Nationen“ schlage sich Deutschland „sehr robust und wacker“. Das liege unter anderem am Kurzarbeitergeld, mit dem man „rasch, umfassend und unbürokratisch“ Unternehmen und Beschäftigten aus der Krise helfe.
2,95 Millionen Arbeitslose plus 5,36 Millionen Menschen in Kurzarbeit
Das Kurzarbeitergeld und die Aussetzung der Insolvenzmeldepflicht kaschieren grundlegende Probleme. Möglicherweise hätte es ohne diese Maßnahmen bereits vier oder fünf Millionen Arbeitslose mehr gegeben
– und hunderttausende Insolvenzen. Durch die Verzögerungspolitik dürfte sich das Problem potenzieren. Schon vor Corona war von
bis zu 800.000 deutschen Unternehmen die Rede, die insolvent waren (sog. Zombies).
Die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes wurde bis zum Jahresende 2021 verlängert – die Bundestagswahl wird spätestens am 24. Oktober stattfinden und könnte ein Grund der Verlängerung sein.
Die
Besonderheiten beim Corona-Kurzarbeitergeld sind: Nach dem 7. Monat in Kurzarbeit steigt es auf 80 bzw. 87 Prozent. Es ist mit 70 Prozent für Kinderlose und 77 Prozent für Eltern um jeweils 10 Prozentpunkte höher als das reguläre. Es wird bereits gezahlt, wenn für ein Zehntel einer Betriebsbelegschaft die Arbeit ausfällt (normalerweise ist ein Drittel die Mindestvoraussetzung). Auch Leiharbeitsfirmen können es beantragen.
Zwei-Klassen-Arbeitslosigkeit
Dadurch entstehe, wie ein Leser bei „Heise“ schreibt, eine
Zwei-Klassen-Arbeitslosigkeit. Fast alle, die jetzt noch in Kurzarbeit seien, würden nicht mehr in ihren Job zurückkehren. Realistisch betrachtet habe kein Kurzarbeiter eine Perspektive, wieder in seiner Stelle zu arbeiten.
Das Kurzarbeitergeld sei überaus komfortabel ausgestattet: „Anders als bei herkömmlicher Arbeitslosigkeit bekommt man nämlich immer mehr Geld, je länger die Sache dauert. Und es wird bis zu 100% Verdienstausfall [mit] bis zu 87% des Nettoentgelts bezahlt. Und zwar so wie es derzeit aussieht, mehrere Jahre lang. Das schöne, im Anschluss gibt es dann noch ALG 1.
Wer hingegen einfach entlassen wurde, weil der Betrieb rechtzeitig eingesehen hat, dass er keine Perspektive mehr in der neuen Corona-Wirtschaft hat, der steht deutlich mieser da. Der bekommt nämlich im ersten Jahr (unter optimalen Umständen) 60% des Netto[gehalts] und danach fällt er gleich direkt auf ALG 2. Obwohl er genauso viel oder wenig arbeitet wie ein Kurzarbeiter (nämlich in der Regel gar nichts).“
Dies sei eine unfaire Ungleichbehandlung, die zeigt, dass „verantwortungsvolle und nachhaltige Unternehmensführung (die nicht auf Insolvenzbetrug ausgerichtet ist) die Arbeitnehmer so viel schlechter stellt“.
Sein Fazit:„Dieses Wahlkampfmanöver am Rand der Untreue der GroKo ist jedenfalls eine der mit Abstand teuersten Maßnahmen, die ergriffen wurden. Und eine der sinnlosesten, weil es die Hängepartie für die künftig arbeitslosen Kurzarbeiter immer weiter verlängert.“
Hinzu kommt, dass Kurzarbeiter im Gegensatz zu regulären Arbeitslosen
mehr hinzuverdienen können. Einkünfte aus einer Nebentätigkeit in systemrelevanten Berufen und Branchen werden nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet. Allerdings darf das normale Bruttoentgelt aus dem Hauptberuf ohne Kurzarbeit mit überschritten werden. Reguläre Arbeitslose dürfen nur 165 Euro hinzuverdienen, was darüber hinausgeht, wird angerechnet.
Ifo-Präsident: Kurzarbeitergeld hemmt notwendige Veränderungen
Ifo-Präsident Fuest hielt die nun erfolgte Verlängerung des Kurzarbeitergeldes für verfrüht. „Man hätte die Wirtschaftsentwicklung abwarten sollen, bevor man die Verlängerung zusagt“, sagte er dem „Handelsblatt“. Kurzarbeitergeld sei das richtige Instrument, wenn sicher sei, dass die Arbeitsplätze nach der Krise erhalten blieben.
„Aber wenn [ein] Strukturwandel notwendig ist, hemmt das Kurzarbeitergeld die notwendigen Veränderungen.“
Dr. Markus Krall überschlug die Höhe des Kurzarbeitergeldes, was auf die Steuerzahler Deutschlands zukommt, und
twitterte: „Überschlagen wir das mal: 7 Mio. Kurzarbeiter mal ca. 1.500 Euro pro Monat mal 12 Monate macht: 126 Mrd.“ Er wunderte sich in seinem Tweet, wie Finanzminster Scholz dies mit 10 Mrd. Euro stemmen möchte.
Zusätzlich gibt es von großen Konzernen wie Galeria Kaufhof oder Esprit
Transfergesellschaften, die die Entlassenen auffangen. Darin erhalten sie sechs Monate lang ein sogenanntes Transferkurzarbeitergeld in Höhe von 60 Prozent des letzten Lohns (Galeria Kaufhof stockt auf 80 Prozent auf).
Arbeitslosigkeit in der EU bei 7,2 Prozent, das sind 12,793 Millionen Menschen
Das Europäische Statistikamt gab am 1. September die
Arbeitslosenzahlen für den Juli bekannt. Im Juli 2020 lag die saisonbereinigte Arbeitslosenquote im Euro-Raum bei 7,9 Prozent, 0,2 Prozentpunkte mehr als im Juni. Eurostat schätzt, dass insgesamt im Juli 15,184 Millionen Menschen arbeitslos waren (+344.000). Zum Euroraum gehören Belgien, Deutschland, Estland, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Zypern, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Portugal, Slowenien, die Slowakei und Finnland.
In der gesamten EU liegt die Arbeitslosenrate etwas darunter bei 7,2 Prozent (im Juni 7,1 Prozent), das entspricht 12,793 Millionen (+336.000). Dazu gehören zusätzlich zum Euroraum Bulgarien, die Tschechische Republik, Dänemark, Kroatien, Polen, Rumänien und Schweden.
Im Juli 2020 waren in der EU 2,906 Millionen junge Menschen (unter 25 Jahren) arbeitslos, davon 2,338 Millionen in der Eurozone. Im Juli 2020 lag die Jugendarbeitslosenquote in der EU bei 17,0 Prozent und im Euroraum bei 17,3 Prozent, gegenüber 16,9 Prozent bzw. 17,2 Prozent im Vormonat. Im Vergleich zu Juni 2020 stieg die Jugendarbeitslosigkeit in der EU um 37.000 und im Euroraum um 29.000.
